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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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anrichten!«
    »Was hat er denn dort angerichtet? Was hat er gesagt?«
    »Sie haben es selbst nicht recht begriffen und konnten es mir nicht ordentlich wiedererzählen; nur hat er alle in Angst versetzt. Er wollte zu Iwan Fjodorowitsch, aber der »Du bist es ja gewesen, die mir geraten hat, ihn zu uns herüberzulocken.«
    »Ich glaubte, er würde uns nützlich sein; aber weißt du, daß er sich jetzt selbst in Aglaja verliebt und an sie geschrieben hat? Sie haben mich danach gefragt... fast hätte er auch noch an Lisaweta Prokofjewna geschrieben.«
    »In dieser Hinsicht ist er nicht gefährlich!« sagte Ganja, boshaft lachend. »Übrigens ist da sicherlich etwas nicht in Ordnung. Daß er verliebt ist, ist sehr wohl möglich, denn er ist ein unreifes Bürschchen! Aber... anonyme Briefe wird er der Alten nicht schreiben. Eine boshafte, wertlose, selbstzufriedene Mittelmäßigkeit, das ist seine Charakteristik... Ich bin überzeugt, ja ich weiß sicher, daß er mich ihr als Intriganten geschildert hat; das ist das erste gewesen, was er getan hat. Ich muß bekennen, ich bin zuerst dumm genug gewesen, ihm zuviel von mir zu erzählen; ich meinte, er werde, schon um sich an dem Fürsten zu rächen, für meine Interessen eintreten; er ist eine so listige Kreatur! Oh, ich habe ihn jetzt völlig durchschaut. Von diesem Diebstahl aber hat er durch seine Mutter, die Hauptmannsfrau, gehört. Wenn der Alte sich zu einer solchen Tat hat entschließen können, so hat er es wegen der Hauptmannsfrau getan. Der Junge hat mir auf einmal ohne äußeren Anlaß mitgeteilt, der General habe seiner Mutter vierhundert Rubel versprochen; das hat er mir ohne äußeren Anlaß gesagt und ohne alle Umschweife. Da ist mir alles klargeworden. Und dabei hat er mir mit einem ganz besonderen Genuß in die Augen gesehen, und unserer Mama hat er es sicherlich ebenfalls gesagt, nur weil es ihm Vergnügen macht, ihr das Herz zu zerreißen. Und sage mir um alles in der Welt, warum stirbt er nicht? Er hat sich doch verpflichtet, in drei Wochen zu sterben, und nun hat er hier noch angefangen, dick zu werden! Er hört auf zu husten; gestern abend hat er selbst gesagt, er habe seit zwei Tagen kein Blut mehr gehustet.«
    »Jag ihn weg!«
    »Ich hasse ihn nicht, ich verachte ihn«, erwiderte Ganja stolz. »Nun ja, ja, ich gebe zu, daß ich ihn auch hasse!« rief er dann plötzlich in maßloser Wut. »Und das werde ich ihm ins Gesicht sagen, wenn er auf seinem Sterbebett in den letzten Zügen liegen wird! Wenn du seine Beichte gelesen hättest – o Gott, was für eine naive Frechheit! Das ist ja der Leutnant Pirogow, das ist Nosdrjow in einer Tragödie, und vor allen Dingen ein unreifer Bube! Oh, mit welchem Genuß hätte ich ihn damals durchgeprügelt, namentlich um ihn in Erstaunen zu versetzen! Jetzt rächt er sich an allen dafür, daß ihm sein Selbstmord damals nicht gelungen ist... Aber was ist das? Das ist ja schon wieder Spektakel! Ja, was hat denn das zu bedeuten? Ich kann das schließlich doch nicht länger dulden. Ptizyn!« rief er dem ins Zimmer tretenden Ptizyn zu. »Was ist denn das? Wie weit wird denn dieser Unfug bei uns noch gehen? Das... das ...«
    Aber der Lärm kam schnell näher; die Tür wurde aufgerissen, und der alte Iwolgin, vor Zorn dunkelrot und zitternd, stürzte ganz außer sich ebenfalls auf Ptizyn los. Dem Alten folgten Nina Alexandrowna, Kolja und hinter allen Ippolit.
II
    Ippolit war schon vor fünf Tagen in Ptizyns Haus übergesiedelt. Das hatte sich in ganz natürlicher Weise so ergeben, ohne viele Worte und ohne irgendwelches Zerwürfnis zwischen ihm und dem Fürsten; sie hatten sich nicht gezankt, sondern waren sogar äußerlich als gute Freunde voneinander geschieden. Gawrila Ardalionowitsch, der an dem damaligen Abend eine so feindliche Haltung gegen Ippolit eingenommen hatte, war schon am dritten Tag nach jenem Ereignis gekommen, um den Kranken zu besuchen, wobei er sich wahrscheinlich durch irgendeinen Einfall leiten ließ, der ihm plötzlich gekommen war. Aus irgendeinem Grund hatte auch Rogoshin angefangen, dem Kranken Besuche zu machen. Der Fürst war in der ersten Zeit der Meinung gewesen, daß es für den »armen Knaben« sogar das beste sein würde, wenn er aus seinem Hause wegzöge. Aber schon während seines Umzuges hatte sich Ippolit dahin geäußert, er siedele zu Ptizyn über, der »so freundlich« sei, ihm »Unterkunft zu gewähren«, und hatte wie mit Absicht niemals gesagt, er ziehe zu Ganja, obgleich gerade

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