Der Idiot
ausgesprochen zu haben. Ich trete Ihnen noch einmal das Wort ab. Ich werde warten.«
Gawrila Ardalionowitsch schwieg und machte ein verächtliches Gesicht.
»Sie wollen es nicht. Sie beabsichtigen, Ihrer Rolle treu zu bleiben, bitte sehr. Meinerseits werde ich mich möglichst kurz fassen. Ich habe heute zwei- oder dreimal einen Vorwurf wegen der genossenen Gastfreundschaft gehört; dieser Vorwurf ist ungerecht. Indem Sie mich zu sich einluden, warfen Sie selbst Ihr Netz nach mir aus; Sie spekulierten darauf, daß ich mich an dem Fürsten rächen wollte. Außerdem hatten Sie gehört, daß Aglaja Iwanowna ihre Teilnahme für mich ausgesprochen und meine Beichte gelesen hatte. Da Sie aus irgendeinem Grund darauf rechneten, daß ich mich ganz Ihren Interessen widmen würde, so hofften Sie, vielleicht in mir einen Helfer zu finden. Ich will mich nicht eingehender darüber aussprechen! Auch von Ihrer Seite verlange ich weder ein Bekenntnis noch eine Bestätigung; es genügt mir, Sie Ihrem eigenen Gewissen zu überlassen und festzustellen, daß wir einander jetzt vortrefflich verstehen.«
»Aber Sie machen Gott weiß was aus einer ganz gewöhnlichen Sache!« rief Warja.
»Ich habe dir ja gesagt: er ist ein Klatschmaul und ein unreifer Bube«, sagte Ganja.
»Wenn Sie erlauben, Warwara Ardalionowna, werde ich fortfahren. Den Fürsten kann ich natürlich weder lieben noch hochachten, aber er ist wirklich ein guter Mensch, wenn auch recht lächerlich. Ihn jedoch zu hassen, habe ich absolut keinen Grund; ich habe Ihren Bruder von meiner Gesinnung nichts merken lassen, als er mich gegen den Fürsten aufzuhetzen suchte; ich rechnete eben darauf, ihn am Schluß der Komödie auszulachen. Ich wußte im voraus, daß Ihr Bruder mir zuviel mitteilen und damit einen argen Fehler begehen würde. Und so kam es auch... Ich bin jetzt bereit, schonend mit ihm zu verfahren, aber einzig und allein aus Hochachtung gegen Sie, Warwara Ardalionowna. Aber nachdem ich Ihnen dargelegt habe, daß ich nicht so leicht zu angeln bin, will ich Ihnen auch auseinandersetzen, warum ich Ihren Bruder in seinen eignen Augen als Dummkopf hinstellen wollte. Sie mögen wissen, daß ich es aus Haß tue, das gestehe ich offen. Schon fast sterbend (denn ich werde doch bald sterben, obwohl ich dicker geworden bin, wie Sie versichern), schon fast sterbend, fühlte ich, daß ich sehr viel ruhiger in das Paradies eingehen würde, wenn ich vorher wenigstens einen Vertreter jener zahllosen Menschenklasse als Dummkopf hinstellen könnte, die mich mein ganzes Leben lang verfolgt hat, die ich mein ganzes Leben lang gehaßt habe und für die Ihr hochgeehrter Bruder als hervorragendes Musterbeispiel dienen kann. Ich hasse Sie, Gawrila Ardalionowitsch, einzig deswegen (das kommt Ihnen vielleicht wunderlich vor), einzig deswegen , weil Sie ein Typ, eine Inkarnation, eine Verkörperung und der Gipfelpunkt der frechsten, selbstzufriedensten, gemeinsten, häßlichsten Mittelmäßigkeit sind! Sie sind die aufgeblasene Mittelmäßigkeit, die Mittelmäßigkeit, die in olympischer Ruhe an sich nicht zweifelt; Sie sind die allergewöhnlichste Gewöhnlichkeit! Nicht der kleinsten eigenen Idee ist es beschieden, jemals in Ihrem Geist oder Ihrem Herzen zu keimen. Aber Sie sind maßlos neidisch; Sie sind zwar fest davon überzeugt, daß Sie das größte Genie sind, aber in düsteren Stunden beschleicht Sie doch manchmal der Zweifel, und dann ärgern Sie sich und beneiden andere. Oh, es gibt für Sie noch schwarze Punkte am Horizont, sie werden vergehen, sobald Sie endgültig dumm geworden sind, was nicht mehr fern ist; aber Ihnen steht doch noch ein langer, vielgestaltiger Weg bevor, ich sage nicht, ein heiterer Weg, und freue mich darüber. Zunächst aber sage ich Ihnen voraus, daß Sie eine gewisse Person nicht gewinnen werden...«
»Nein, das ist unerträglich!« rief Warja. »Sind Sie nun fertig, Sie widerwärtiger Bösewicht?«
Ganja war blaß geworden, zitterte und schwieg. Ippolit blieb stehen, betrachtete ihn unverwandt und mit Genuß, ließ dann seine Blicke zu Warja hinübergleiten, lächelte, verbeugte sich und ging, ohne noch ein Wort hinzuzufügen, hinaus.
Gawrila Ardalionowitsch hätte sich mit Recht über sein Schicksal und das Mißlingen seiner Pläne beklagen können. Eine Weile mochte Warja ihn nicht anreden, ja sie sah ihn nicht einmal an, als er mit großen Schritten an ihr vorbeiging; schließlich trat er ans Fenster und drehte ihr den Rücken zu. Warja dachte an
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