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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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scheint, Sie sind um mich sehr besorgt, ich könnte morgen bei dieser Abendgesellschaft durchfallen?«
    »Um Sie? Besorgt?« fuhr Aglaja auf und wurde dunkelrot. »Warum sollte ich um Sie besorgt sein, wenn Sie auch... wenn Sie sich auch völlig blamieren? Was geht das mich an? Und wie können Sie solche Ausdrücke gebrauchen? Was heißt das: ›durchfallen‹? Das ist ein häßlicher, gemeiner Ausdruck.«
    »Das ist... ein Schulausdruck.«
    »Na ja, ein Schulausdruck! Ein häßlicher Ausdruck! Sie beabsichtigen, wie es scheint, morgen in lauter solchen Ausdrücken zu reden. Suchen Sie sich doch zu Hause noch möglichst viel solche Ausdrücke aus Ihrem Wörterbuch heraus: damit werden Sie Effekt machen! Schade, daß Sie, wie es scheint, verstehen, mit Anstand ins Zimmer zu treten; wo haben Sie das nur gelernt? Verstehen Sie es, eine Tasse Tee mit Anstand in Empfang zu nehmen und auszutrinken, wenn alle absichtlich nach Ihnen hinsehen?«
    »Ich meine, daß ich es verstehe.«
    »Das ist schade; sonst hätte ich etwas zum Lachen. Zerbrechen Sie wenigstens die chinesische Vase im Salon! Sie ist sehr wertvoll: bitte zerbrechen Sie die; sie ist ein Geschenk, Mama wird den Verstand verlieren und in Gegenwart aller in Tränen ausbrechen, so ist sie ihr ans Herz gewachsen. Machen Sie irgendeine Handbewegung, wie Sie das zu tun pflegen, stoßen Sie dabei an die Vase und zerbrechen Sie sie! Setzen Sie sich absichtlich daneben!«
    »Im Gegenteil, ich werde mich bemühen, mich möglichst weit davon zu setzen: ich danke Ihnen, daß Sie mich gewarnt haben.«
    »Also fürchten Sie doch im voraus, daß Sie stark gestikulieren werden. Ich möchte wetten, daß Sie über irgendein ›Thema‹ sprechen werden, über irgend etwas Ernstes, Gelehrtes, Großartiges; das wird äußerst... wohlanständig sein!«
    »Ich meine, es würde dumm herauskommen, wenn ich zu unpassender Zeit von dergleichen anfangen wollte.«
    »Hören Sie ein für allemal«, Aglaja wurde es jetzt endlich zuviel, »wenn Sie wieder über solche Dinge Vorträge halten werden wie über die Todesstrafe oder über die wirtschaftliche Lage Rußlands oder darüber, daß ›die Welt durch die Schönheit erlöst wird‹, dann ... werde ich mich natürlich freuen und sehr lachen, aber... ich sage Ihnen dann im voraus: kommen Sie mir dann nicht wieder unter die Augen! Hören Sie wohl: ich rede im Ernst! Diesmal rede ich wirklich im Ernst!«
    Sie sprach diese Drohung tatsächlich in ernstem Ton aus, so daß aus ihren Worten und ihrem Blick sogar etwas Ungewöhnliches sprach, was der Fürst früher nie bemerkt hatte und was allerdings nicht nach Scherz aussah.
    »Nun, Sie haben bewirkt, daß ich jetzt unfehlbar ›einen Vortrag halten‹ und vielleicht sogar die Vase zerbrechen werde. Vorhin hatte ich noch keine Befürchtungen, aber jetzt befürchte ich alles. Ich werde mit Sicherheit durchfallen.«
    »Schweigen Sie also! Sitzen Sie still, und schweigen Sie!«
    »Das wird nicht angehen; ich bin überzeugt, daß ich vor Angst anfangen werde zu reden und vor Angst die Vase zerbrechen werde. Vielleicht werde ich auch auf dem glatten Fußboden hinfallen, oder es wird sonst etwas passieren, denn dergleichen ist mir schon begegnet. Und nun werde ich die ganze Nacht davon träumen. Warum haben Sie auch davon zu reden angefangen!«
    Aglaja blickte ihn finster an.
    »Wissen Sie was?« fuhr der Fürst nach einer kleinen Pause endlich fort. »Das beste wird sein, wenn ich morgen gar nicht herkomme! Ich werde einen Zettel schicken, daß ich krank bin, und die Sache ist erledigt!«
    Aglaja stampfte mit dem Fuß und wurde ganz blaß vor Zorn.
    »Mein Gott! Hat man je so etwas erlebt! Er will nicht herkommen, wo doch alles eigens seinetwegen... o Gott! Ja, es ist ein Vergnügen, mit so einem... unvernünftigen Menschen zu tun zu haben wie Ihnen!«
    »Nun, ich werde kommen, ich werde kommen!« unterbrach der Fürst sie schnell. »Und ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß ich den ganzen Abend dasitzen werde, ohne ein Wort zu sagen. Ich werde es ganz bestimmt so machen.«
    »Daran werden Sie guttun. Sie sagten soeben ›krank melden‹; wo nehmen Sie eigentlich solche Ausdrücke her? Wie kommen Sie dazu, mir gegenüber solche Ausdrücke zu gebrauchen? Sie wollen mich wohl damit aufziehen?«
    »Verzeihung! Das ist ebenfalls ein Schulausdruck; ich werde es nicht wieder tun. Ich begreife sehr wohl, daß Sie... Befürchtungen wegen meiner Person hegen... (aber werden Sie doch nicht böse!), und ich freue

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