Der Idiot
mich darüber sehr. Sie glauben gar nicht, wie ich mich jetzt vor Ihren Worten fürchte und – wie ich mich über Ihre Worte freue. Aber diese ganze Furcht ist nach meiner festen Überzeugung nur Torheit und dummes Zeug, wahrhaftig, Aglaja; aber die Freude wird bleiben. Ich habe es sehr gern, daß Sie ein solches Kind sind, ein so liebes, gutes Kind! Ach, wie schön Sie sein können, Aglaja!«
Aglaja wollte natürlich eine zornige Antwort geben und setzte schon dazu an, aber plötzlich erfüllte ein Gefühl, das für sie selbst überraschend war, in einem Augenblick ihre ganze Seele.
»Werden Sie mir auch meine jetzigen unartigen Reden nicht... später einmal... vorhalten?« fragte sie plötzlich.
»Was reden Sie da! Was reden Sie da! Und warum sind Sie wieder so rot geworden? Und jetzt sehen Sie wieder so finster aus! Sie machen jetzt manchmal ein so finsteres Gesicht, Aglaja, wie Sie es früher nie taten. Ich weiß, warum...«
»Schweigen Sie, schweigen Sie!«
»Nein, es ist besser, wenn wir darüber reden. Ich wollte schon lange davon sprechen; ich habe schon früher einmal davon gesprochen, aber... das war zuwenig, denn Sie haben mir nicht geglaubt. Zwischen uns steht immer noch ein Wesen...«
»Schweigen Sie, schweigen Sie, schweigen Sie, schweigen Sie!« unterbrach ihn Aglaja; sie faßte ihn kräftig am Arm und sah ihn angstvoll an. In diesem Augenblick wurde sie gerufen; sie schien sich darüber zu freuen, ließ ihn stehen und lief davon.
Der Fürst lag die ganze Nacht im Fieber. Seltsamerweise hatte er schon mehrere Nächte hintereinander gefiebert. Diesmal kam ihm im halben Delirium der Gedanke: wenn er nun morgen in Gegenwart aller einen Anfall bekäme, was dann? Er hatte ja schon solche plötzlichen Anfälle gehabt. Bei diesem Gedanken überlief es ihn eiskalt; die ganze Nacht über sah er sich in einer wunderlichen, unerhörten Gesellschaft zwischen irgendwelchen sonderbaren »Sie haben soeben Lisaweta Prokofjewna gesehen?« fragte der Fürst, der kaum seinen Ohren traute.
»Ich habe sie soeben gesehen und eine Ohrfeige erhalten... eine moralische Ohrfeige. Sie gab mir den Brief zurück oder schleuderte ihn mir vielmehr hin, ungeöffnet... und jagte mich mit einem Fußtritt hinaus... übrigens nur im moralischen Sinne... beinah aber auch im physischen, es fehlte nicht viel daran!«
»Was war denn das für ein Brief, den sie Ihnen ungeöffnet hingeschleudert hat?«
»Habe ich es denn... Hehehe! Aber ich habe es Ihnen ja noch nicht gesagt! Ich glaubte, es Ihnen schon gesagt zu haben... Ich hatte so ein Briefchen zur Bestellung erhalten...«
»Von wem? An wen?«
Aber es war sehr schwer, aus manchen »Erklärungen« Lebedews klug zu werden oder auch nur etwas davon zu verstehen. Der Fürst konnte nur so viel begreifen, daß der Brief frühmorgens seiner Tochter Wera von einem Dienstmädchen eingehändigt sei zum Zweck der Bestellung an eine Adresse ... »ebenso wie schon früher ... ebenso wie schon früher ein Brief von derselben Dame an eine gewisse Person... (denn ich nenne die eine von ihnen eine Dame und die andere nur eine Person, um die letztere herabzusetzen und sie beide zu unterscheiden, denn es ist ein großer Unterschied zwischen einer unschuldigen, hochwohlgeborenen Generalstochter und... so einer Kameliendame); jener Brief war also von der Dame, deren Name mit dem Buchstaben A anfängt...«
»Wie ist das möglich? An Nastasja Filippowna? Unsinn!« rief der Fürst.
»Doch, doch, an die war er, und wenn nicht an sie, so an Rogoshin, das ist ganz dasselbe ... und es ist sogar einmal ein Brief, den die Dame mit dem Buchstaben A an Herrn Terentjew geschrieben hatte, zur Bestellung abgegeben worden«, sagte Lebedew lächelnd und augenzwinkernd.
Da er häufig von einem Gegenstand zum andern sprang und vergaß, wovon er zu sprechen angefangen hatte, so schwieg der Fürst, um ihn sich aussprechen zu lassen. Aber es blieb dennoch sehr unklar, ob die Briefe eigentlich durch Er übergab dem Fürsten Aglajas Billett an Gawrila Ardalionowitsch, das dieser an demselben Vormittag zwei Stunden später triumphierend seiner Schwester zeigte.
»Diesen Brief dürfen Sie nicht behalten.«
»Ich gebe ihn Ihnen, Ihnen! Ihnen bringe ich ihn!« rief Lebedew eifrig. »Jetzt bin ich wieder nach einer vorübergehenden Untreue mit Kopf und Herz Ihr Diener! Bestrafen Sie das Herz, aber schonen Sie den Bart, wie Thomas Morus sagte... in England und in Großbritannien. Mea culpa, mea culpa, wie die römische
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