Der Idiot
könnte ja doch auch einen andern heiraten. Ich wundere mich, daß Sie diese Möglichkeit nicht in Betracht ziehen.«
»Das hat schon seine Gründe! Sie wissen in dieser Angelegenheit nicht alles, Fürst... und außerdem glaubt sie fest, daß ich sie wahnsinnig liebe, das schwöre ich Ihnen. Und wissen Sie, ich vermute stark, daß auch sie mich liebt, das heißt auf ihre Art; Sie kennen die Redensart: ›Wen ich liebe, den prügle ich.‹ Sie wird mich ihr ganzes Leben lang für einen Gauner halten (und darin hat sie ja auch vielleicht recht) und mich doch auf ihre Art lieben, sie trifft dazu schon ihre Anstalten; das liegt einmal so in ihrem Wesen. Sie ist eine echte Russin, kann ich Ihnen sagen, na, und ich bereite eine Überraschung für sie vor. Die Szene von vorhin mit Warja ereignete sich ja ganz zufällig, aber sie wird mir von Vorteil sein: sie hat jetzt gesehen und sich überzeugt, daß ich ihr treuer Anhänger bin und um ihretwillen alle Bande zerreiße. Ich bin nämlich auch gerade kein Dummkopf, das können Sie mir glauben. Übrigens, Sie denken doch hoffentlich nicht, daß ich ein arger Schwätzer bin? Ich habe vielleicht tatsächlich übel daran getan, liebster Fürst, daß ich mich Ihnen so ganz anvertraue. Aber das kommt daher, daß Sie der erste anständige Mensch sind, auf den ich seit langem gestoßen bin, und da habe ich mich denn auf Sie gestürzt, das heißt, nehmen Sie dieses ›ich habe mich auf Sie gestürzt‹ nicht im physischen Sinne. Sie zürnen mir doch nicht mehr wegen meines Benehmens von vorhin? Ich spreche vielleicht zum ersten Male seit vollen zwei Jahren frei von der Leber weg. Hier gibt es sehr wenige ehrenhafte Leute, Ptizyn ist noch der ehrenhafteste. Sie lachen wohl gar, wie mir scheint? Die Schufte haben eine besondere Zuneigung zu ehrenhaften Leuten, haben Sie das noch nicht gewußt? Ich aber bin ja... Sagen Sie mir übrigens auf Ihr Gewissen: inwiefern bin ich denn ein Schuft? Weil alle, nachdem sie mich einmal einen Schuft genannt hat, es ihr nachsprechen? Und wissen Sie: weil die Leute und sie mich so genannt haben, nenne ich mich auch selbst einen Schuft! Das ist gemein, sehr gemein!«
»Ich werde Sie jetzt nie mehr für einen Schuft halten«, versetzte der Fürst. »Vorhin hielt ich Sie geradezu für einen Bösewicht, und nun haben Sie mir plötzlich eine so große Freude gemacht! Das soll mir eine Lehre sein, nicht abzuurteilen, wo es einem an Erfahrung fehlt. Jetzt sehe ich, daß man Sie nicht für einen Bösewicht halten darf, sondern überhaupt nicht nur für keinen besonders verdorbenen Menschen. Sie sind meiner Ansicht nach einfach der gewöhnlichste Mensch, den es überhaupt geben kann, nur vielleicht sehr schwach, aber von Originalität kann keine Rede sein.«
Ganja lächelte im stillen spöttisch, schwieg aber. Der Fürst merkte, daß seine Antwort ihm nicht gefallen hatte, wurde verlegen und verstummte gleichfalls.
»Hat mein Vater Sie um Geld gebeten?« fragte Ganja auf einmal.
»Nein.«
»Er wird es tun, aber geben Sie ihm nichts! Und doch kann ich mich noch an die Zeit erinnern, wo er ein ganz anständiger Mann war. Er hatte Zutritt zu den besten Kreisen. Und wie schnell es mit ihnen zu Ende geht, mit diesen alten, anständigen Leuten! Kaum haben sich die Umstände geändert, so ist auch von dem frühern nichts mehr vorhanden; es ist, wie wenn Schießpulver abbrennt. Ich versichere Ihnen, er hat früher nicht so gelogen, früher war er nur ein etwas exaltierter Mensch, und nun sehen Sie, wohin sich das schließlich entwickelt hat! Natürlich ist das Trinken daran schuld. Wissen Sie, daß er eine Geliebte aushält? Er ist jetzt nicht mehr ein bloßer unschuldiger Aufschneider. Ich kann die Langmut der Mutter nicht begreifen. Hat er Ihnen von der Belagerung von Kars erzählt? Oder davon, wie bei seiner Troika das graue Seitenpferd zu sprechen anfing? So weit versteigt er sich.«
Und Ganja schüttelte sich auf einmal nur so vor Lachen.
»Warum sehen Sie mich so an?« fragte er dann den Fürsten. »Ich wundere mich darüber, daß Sie so herzlich lachen. Ihr Lachen ist wirklich noch ganz kindlich. Als Sie vorhin hereinkamen, um sich mit mir zu versöhnen, und sagten: ›Wenn Sie es verlangen, küsse ich Ihnen die Hand!‹, das war ganz in der Art, wie Kinder sich aussöhnen. Also sind Sie solcher Worte und Empfindungen doch noch fähig. Und dann fingen Sie auf einmal an, mir einen ganzen Vortrag über diese dunkle Heiratsangelegenheit und über diese
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