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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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hoffe, daß wir uns bald einig werden. Können wir sogleich beginnen?«
    Tokei-ihto neigte zustimmend den Kopf.
    Jackman griff nach einem versiegelten Dokument, das neben der Karte auf dem Tisch gelegen hatte, und erbrach es. Bedächtig faltete er es auseinander.
    »Die Botschaft des großen weißen Vaters in Washington an die Häuptlinge der Dakota!« Langsam und deutlich las er den Text vor. Tokei-ihto folgte aufmerksam. Nach einer Einleitung, in der von Friede, Gerechtigkeit und Wohlwollen die Rede war, wandte sich der Text den sachlichen Bestimmungen zu. Die Augen des Häuptlings streiften beim Zuhören die auf dem Tisch ausgebreitete Karte und die dort eingezeichneten schwarzen Linien.
    Als Jackman geendet hatte, sagte der Indianer kein Wort. Der Oberst schien zu glauben, daß der Dakota nicht verstanden habe.
    »Das Dokument, das ich soeben verlesen habe, gibt die Grenzen der Reservation für die Dakota an«, begann er zu erklären. Er nahm die Pfeife in den Mund und ließ sie im linken Winkel seiner farblosen Lippen schaukeln. Seine Worte bekamen dadurch einen näselnden Klang.
    »Diese Reservationen und ihre Grenzen sind als solche nicht Gegenstand der Unterhandlung; sie liegen fest. Die Häuptlinge der Dakota werden durch ihre Unterschrift bestätigen, daß sie davon Kenntnis genommen haben. Unsere Verhandlung hier wird sich darum drehen, zu welchem Zeitpunkt und auf welchen Wegen sich diejenigen Stammesteile der Dakota, die im Verzug sind, so schnell wie möglich zu den für sie bestimmten Wohnplätzen begeben werden. Versteht Tokei-ihto, eine Karte zu lesen?«
    »Ja.«
    »Dann bitte ich, hierher zu sehen!« Jackman beugte sich über den Tisch und fuhr mit dem Finger über die Karte.
    »Die schwarzen Linien umzeichnen alle diejenigen Gebiete, die der große Vater in Washington von seinem Land …«
    »Von unserem Land«, verbesserte Tokei-ihto. Der Häuptling handelte damit bewußt gegen die strengen Regeln indianischer Umgangsformen, die das Unterbrechen eines Sprechers verboten. Jackman reckte sich. Die Bewegung verriet Unwillen.
    »Dem großen Vater in Washington gehört alles Land vom Atlantischen bis zum Stillen Ozean. Aber der große Vater ist bereit, einige sehr gute Stücke dieses Landes dem Stamm der Dakota zu überlassen, wenn die Häuptlinge sich verpflichten, Frieden zu halten.«
    Auch Tokei-ihto legte seine Pfeife zur Seite. »Oberst Jackman irrt. Den roten Männern gehört alles Land, angefangen von dem großen Wasser, über dem die Sonne aufgeht, bis hin zu dem großen Wasser, über dem die Sonne niedergeht. Aber sie sind bereit, dem großen Vater alle die sehr guten Stücke dieses Landes zu lassen, in denen jetzt schon weiße Männer wohnen. Sie sind auch bereit – und darum sind wir hierhergekommen –, mit den weißen Männern zu beraten, ob es notwendig und ob es möglich ist, dem großen Vater in Washington und seinem Volk noch einiges Land zu übergeben, damit er die großen Scharen der weißen Männer, Frauen und Kinder ernähren kann.
    Die Häuptlinge der Dakota müssen aber darauf bestehen, daß ihren Kriegern, ihren Frauen und ihren Kindern ebenfalls fruchtbares Land und Land genug bleibt, damit sie leben und ihre Zelte selbständig versorgen können. Vor wenigen Wintern erst haben uns die weißen Männer das Land vom Niobrara bis zum oberen Missouri auf ewig verbürgt und zugeschworen.«
    Es trat eine Pause ein.
    Jackman starrte auf die Tischplatte.
    »Die Verhältnisse haben sich schnell verändert. Goldadern sind entdeckt, Bahnen werden gebaut, Städte entstehen … euer Land wird zivilisiert.«
    Er nahm die Pfeife aus dem Mund, klopfte sie bedächtig aus, legte sie hin und trommelte mit den Fingern nervös auf den Tisch.
    Endlich raffte er sich wieder auf.
    »Das, was du gesagt hast, ist eine sehr merkwürdige Mischung von Rebellion und Vernunft.« Er lehnte sich zurück, pfiff Luft durch die Lippen und gab den umstehenden Rauhreitern einen Wink. Zwei entfernten sich und kamen bald wieder mit Whisky und Bechern zurück. Die Becher wurden auf dem Tisch aufgestellt, und Jackman ließ den Umsitzenden eingießen.
    »Einen Drink«, sagte er mit einer Stimme, die burschikos und vertraulich klingen sollte, aber da dem verkniffenen Manne dieses Wesen nicht lag, wirkten seine Worte nur peinlich.
    »Wir müssen der Sache mit Ruhe zu Leibe gehen. Stärken wir uns erst einmal etwas. Das Feuerwasser, wie ihr Roten sagt, pflegt die Gemüter noch besser aufzulockern als der Tabak. Ihr habt

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