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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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gerieten, mußten sie fliehen. Die falsche Nachricht über Tokei-ihtos Tod hat sich durch sie verbreitet; keiner sagt etwas dagegen. Aber Harry Tokeiihto ist nicht tot. Nach einigen Tagen und Nächten kam er wieder zu sich. Seine Wunden sind langsam wieder geheilt. Noch lebt er.«
    »Das müssen doch alle in dem Fort wissen.«
    »Die in dem Fort wissen es alle.«
    »Mit welchem Recht hält Roach den Dakota überhaupt gefangen? Hat er je einer vorgesetzten Stelle über diese Angelegenheit berichtet?«
    »Oberst Jackman hat berichtet, daß er Tokei-ihto bis auf weiteres interniert habe. Harry Tokei-ihto war Häuptling und Unterhändler, aber er hat Verträge zerrissen, in denen Dakotahäuptlinge ihr Totem für die Abtretung von Dakotaland gegeben hatten. Er sollte vor ein Gericht der Langmesser gestellt werden. Sie wollten ihm auch vorwerfen, daß er sie schon früher als ihr Kundschafter verraten habe, daß er weg- und zu seinem Stamm zurückgelaufen sei, daß er Männer der Besatzung am Niobrara, auch Henry Henry, ermordet und die Munitionskolonne niedergemetzelt habe, daß er ein Rebell und ein Meuchelmörder sei. Oberst Jackman hatte vorgeschlagen, ihn zu richten und zu hängen.«
    »Und warum geschah es nicht?«
    »Jackman hat auf seinen Antrag bis jetzt noch keine Antwort bekommen, und Roach sagt den Dakota einfach tot, um freie Hand zu behalten.«
    »Der junge Dakota lebt aber! Schreibt oder meldet das wirklich niemand?«
    »Niemand. Tokei-ihto hat das Fort lange bedroht und viele Männer getötet. Die übrig sind, hassen ihn und gönnen ihm jede Qual, während er langsam stirbt. Es lohnt sich für sie nicht mehr, ihn wegzubringen. Es gibt auch niemand, der befugt wäre, zu schreiben und zu melden, außer Capt’n Roach. Aber dieser tut es nicht, und vielleicht fürchtet und haßt er Tokei-ihto am meisten von allen.«
    »Wenn ich jetzt hinreite, würde ich den Gefangenen fragen können, was er über den Tod von Henry weiß?«
    »Nein, nein. Capt’n Roach erlaubt Euch unter keinem Vorwand, den Gefangenen zu sprechen.«
    »Was soll nun werden?«
    »Der Dakota wird sterben.«
    »Zynischer Mord! Das müssen wir verhindern, Brown! Wie denken Sie darüber? Es war Krieg, Harry Tokei-ihto hat für sein Volk gekämpft. Dafür können wir ihn nicht hinrichten! Er ist kein Verbrecher!«
    »Ganz Ihrer Meinung, Morris. Aber es ist völlig zwecklos, irgend etwas zu unternehmen. Harry befindet sich nicht in den Händen der Justiz, sondern in denen seiner Todfeinde. Sobald wir uns rühren, beschleunigen wir nur seinen Tod.«
    »Ich denke anders. Wenn ich auch nichts für die Dakota tun kann, die meine Freunde waren und in deren Zelten ich oft und lange zu Gast gewesen bin, so will ich doch wenigstens in diesem einen Fall meine Stimme erheben, und wenn ich bis Washington gehen muß. Jackmans Antrag ist noch nicht beantwortet. Noch ist es Zeit!« Brown und Tobias blickten überrascht auf den Maler.
    »Sie sind ein Träumer, Morris«, meinte Brown, »aber ich möchte Sie nicht hindern, Ihrem Gewissen zu folgen. Ich wollte Henry suchen. Er ist tot; ich halte das jetzt für gewiß. Sie wollen den Mann retten, der ihn getötet hat; das ist das mehr als verblüffende Resultat unseres Gesprächs. Sie träumen, Morris … ich wollte, ich könnte auch noch träumen – von irgend etwas anderem noch als von Schienen und Viadukten und Terminen …«
    »Die Menschen fehlen Ihnen.«
    »Ein Mensch, wenigstens ein Mensch!«
    »Der zu Ihnen gehört …« Brown wehrte mit einer Handbewegung ab. »Zu mir gehört! Denken Sie vielleicht an Henry? Es ist wahr, ich bin bis hierher gereist, um zu erfahren, wo und wie er geendet hat. Wo und wie sein Körper geendet hat, von dem ich manchmal geglaubt habe, daß er einen jungen frischen Geist beherbergt. Ich habe längst gewußt, daß er …« Brown brach ab.
    »Henry war ein kleiner Lump geworden, ein Intrigant«, setzte er leiser hinzu. »Er war nur weniger geschickt als dieser Capt’n Roach, und er hat zuviel gesoffen. Was ich noch liebe, ist nichts als eine Erinnerung, auf den Namen Henry getauft. Ich bin einsam geworden.«
    Morris widersprach nicht. Er schenkte Joe Brown ein Glas Whisky ein.
    »Ich gehe wieder an die Arbeit.« Der Ingenieur wechselte den Ton. »Die Northern Pacific wird gebaut. Morgen verlasse ich die friedlich und schleimig gewordenen Bretterbuden hier und gehe dahin, wo der Wind noch scharf weht.«
    »Ich aber werde um einen Menschen zu kämpfen beginnen«, sprach Morris vor

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