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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Verstanden, Adams?«
    »Ja.«
    Pitt grinste unverhohlen, als der Major sich über das Seelenleben von Grenzern äußerte. Er hätte dem Offizier darüber genauere Auskunft geben können.
    »Die Situation ist von Grund auf verändert«, erklärte der Major weiter. »Unsere bewaffneten Expeditionen haben bestätigt, daß die Goldvorkommen, die vor zwei Jahren in den nördlichen Black Hills entdeckt wurden, den bergwerksmäßigen Abbau erfordern und lohnen, und es ist bereits beschlossen, daß zu den Zentren des künftigen Bergbaus Bahnen gebaut werden, die von der Union-Pacific-Überlandbahn abzweigen. Das bedeutet …, nun, was bedeutet das in bezug auf unsere militärischen Aufgaben?«
    »Schade«, maulte Pitt.
    »Wie bitte?«
    »Ich meine nur«, erläuterte der ehemalige Cowboy und jetzige Scout und Kurier, »das mit den Bergwerken ist schade. Da kommt kein kleiner Mann mehr an das Gold ran.«
    »Die Bemerkung ist unerheblich und daher überflüssig. Leutnant Warner?«
    »Unsere militärische Aufgabe ist es, die rebellischen Dakota aus den bezeichneten Gegenden wegzubringen.« Das war die Antwort, die der Major zu hören wünschte.
    »Richtig. Der Bürgerkrieg liegt ein Jahrzehnt hinter uns. Unsere Staaten sind gewachsen und erstarkt, aber Tausende von Einwanderern sind auf dem Weg, unsere Armee ist frei für neue Aufgaben. Der ferne Westen wird jetzt erschlossen. Wir werden uns nicht mehr in so unwürdiger Weise mit den Rothäuten herumschlagen, wie das noch beim Bau der Union Pacific und in den vergangenen beiden Jahren hier am Niobrara der Fall war. Die Dakota werden ab sofort gezwungen, sich auf die für sie bereits eingerichteten Reservationen zu begeben. Das Mörder- und Brandstifterhandwerk wird ihnen gelegt. Sie werden zivilisiert. Sie werden endlich lernen zu arbeiten.«
    Die vier Zuhörer bemerkten zu diesen Mitteilungen zunächst nichts. Sie warteten alle, ob der Major ihnen noch praktische Anweisungen zu geben habe. Als die Pause lange dauerte, nahm der Rauhreiterführer Adams noch einmal das Wort. »Der Termin, zu dem sich die Dakota auf den Sperrgebieten eingefunden haben sollten, war der 31. Januar unseres Jahres 1876. Aber wie hätten die Indsmen das mit Weibern und Kindern mitten im Winter schaffen sollen, selbst wenn sie es wollten? Sie haben keine Eisenbahnen und keine Landstraßen! Können wir nicht mehr Geduld aufbringen?« Pitt pfiff verächtlich über soviel Mitgefühl. Der Major runzelte die Stirn. »Adams, ich liebe das freie Wort eines freien Mannes, aber ich liebe keine Witze zur Unzeit. Die Oberhäuptlinge der Dakota sind von der Regierung verständigt, daß sie ihren Stamm auf die Reservationen zu führen haben, und da die Wanderung der Stammesabteilungen dorthin nicht schnell genug vor sich geht, werden wir das Tempo mit Waffengewalt beschleunigen. Unsere Aufgabe hier ist es, die kleinen Stammesabteilungen am oberen Plattefluß und am Niobrara in die Reservation zu drängen. Unsere Aufgabe hier ist also eine Nebenaufgabe und ergibt, wenn die Indsmen widerspenstig bleiben, einen Nebenkriegsschauplatz. Die Hauptentscheidungen fallen weiter nördlich bei den Black Hills. Was nicht heißen will, daß wir hier irgendwie versagen oder irgend etwas verzögern dürften. Wir werden handeln.«
    Der junge Adams kniff die Lippen zusammen. Pitt hörte auf zu pfeifen, da der Major begriffen hatte, woher der Ton kam.
    »Noch eine Frage?« Das war Rhetorik. In Wahrheit wollte der Major abschließen.
    »Noch eine Frage«, sagte Adams trotzdem.
    »Bitte?« Major Smith war ungehalten.
    »Die Dakota haben mit unserer Regierung erst vor wenigen Jahren Verträge auf ewig über ihr Eigentum an den Jagdgründen von den Black Hills im Süden bis zum nördlichen Missouri abgeschlossen. Was wird aus Brief und Siegel?«
    Dem Major stieg das Blut in die Schläfen. »Nicht unsere Sache!« erklärte er schneidend genug, um vor Leutnant Warner zu bestehen und das eigene unruhige Gewissen einzuschüchtern. »Die Dakota haben auf die angewiesenen Reservationen zu gehen, und wenn sie sich weigern, so schießen wir.«
    »Auf welche Reservationen sind die südlich wohnenden Stammesabteilungen zu bringen?« fragte Adams.
    Der Major erkannte nicht, daß auch in dieser Frage ein Hintergedanke verborgen war. Er glaubte, daß sie nur noch das geziemende militärische Interesse verrate.
    »Hier!« Der Kommandant breitete eine Karte aus, die ihm zusammengefaltet zur Hand gelegen hatte, und schob sie dem Leutnant und Adams vor die

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