Der kalte Hauch der Angst
dagelassen, die sie immer mit
sich herumgeschleppt hat. Ich hätte die Sachen ihren
Kollegen zurückgeben müssen, habe es aber vergessen
und irgendwann nicht mehr daran gedacht. Bis Du
wieder davon angefangen hast â¦Â«
»Aber die Archive, die echten, die Protokolle ihrer Therapiesitzungen, all diese Dinge, wo sind die abgeblieben?«
»â¦Â«
»Papa, wo?«
»Hm â¦Â Nach dem Tod Deiner Mutter ist vermutlich
alles bei ihren Kollegen geblieben â¦Â Ich weià nicht mal,
wie die Sachen aussehen. Warum?«
»Weil ich in den Sachen von Frantz etwas Komisches
gefunden habe. Ein Dokument von Mama â¦Â«
»Worüber?«
»Ãber den Fall Sarah Berg. Ein ausführlicher Bericht.
Ziemlich seltsam. Das sind keine Arbeitsnotizen, es ist
ein Bericht. Adressiert an Sylvain Lesgle, keine Ahnung,
warum. Ist auf Ende 1999 datiert. Ich weià nicht, wie er
in Frantz Hände geraten ist, aber das dürfte eine ziemlich strapaziöse Lektüre für ihn gewesen sein, wenn nicht
schlimmer!«
»â¦Â«
»Sagt Dir das alles nichts, Papa?«
»Nein, gar nichts.«
»Du fragst gar nicht, wovon ich rede.«
»Du hast doch gesagt, dass es um Sarah Berg geht.«
»Ja. Jedenfalls ist das sehr merkwürdig gewesen von
Mama â¦Â«
»?«
»Ich habe diesen Bericht sehr gründlich gelesen, und ich
kann Dir versichern, dass er alles andere als professionell
klingt. Er ist überschrieben mit Klinische Bilanz. (Hast
Du so was schon mal gehört?) Auf den ersten Blick
wirkt es profimäÃig, aber sieht man genau hin, ist es nur
Gefasel â¦Â«
»?«
»Vorgeblich geht es um den Fall Sarah Berg, aber in
Wirklichkeit ist es ein so seltsam verworrenes pseudopsychiatrisches Gerede â diese Wörter und Fachbegriffe
sind offensichtlich aus irgendwelchen Lexika und
populärwissenschaftlichen Werken abgeschrieben. Zum
Beispiel sind die biografischen Daten der Patientin, abgesehen von dem, was man über ihren Mann im Internet
finden kann, so allgemein gehalten, dass das jeder schreiben kann, auch wenn er sie überhaupt nicht gekannt hat.
Man braucht nur zwei, drei Angaben über diese Frau,
und schon ist dieses Pseudopsychomischmasch fertig â¦Â«
»Aha.«
»Alles ist komplett zusammenphantasiert. Aber wenn
man keine Ahnung davon hat, klingt es glaubhaft.«
»â¦Â«
»Meiner Ansicht nach (ich kann mich aber auch irren)
ist dieser Bericht über Sarah Berg frei erfunden.«
»â¦Â«
»Und Deiner Meinung nach, lieber Papa?«
»â¦Â«
»Du sagst ja gar nichts.«
»Gut, also, hör zu â¦Â WeiÃt Du, diese Psychofachsprache
war noch nie mein Ding â¦Â Ich kenne mich mit Architektur und Technik aus.«
»Und?«
»â¦Â«
»Hallo!«
»Na ja, hör zu, grüne Maus â¦Â Ich habe getan, was ich
konnte â¦Â«
»O Papa!«
»Ja, gut, ich gebe zu, es ist eher eine grobe Einschätzung â¦Â«
»Erklär es mir!«
»Das Wenige, das in dieser Klinischen Bilanz steht, sagt
das Wesentliche: Frantz muss schon lange davon geträumt haben, den Tod seiner Mutter zu rächen, indem
er Deine Mutter tötet. Und da es dazu nicht mehr
kommen konnte, hat er all seinen Hass auf Dich übertragen.«
»Ganz offensichtlich.«
»Ich dachte, ich könnte das als Hebel benutzen. So kam
ich auf die Idee, diesen Bericht zu verfassen, um dem
Jungen ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Du hast Hilfe gebraucht.«
»Aber wie hat Frantz ihn gefunden?«
»Du warst überzeugt, dass er mich aufmerksam beobachtet
hat. Also habe ich Kartons in die Scheune gestellt, die
angeblich das Archiv Deiner Mutter beinhalten. Dann
habe ich das Scheunentor weit offen gelassen. Und ich
habe mir wirklich Mühe gegeben, die Akten alt aussehen
zu lassen. Unter dem Buchstaben â¦Â habe ich dann das
für ihn vorbereitete Blatt eingeordnet. Zugegeben, der
Stil ist ein bisschen â¦Â schlampig.«
»Schlampig ja, aber sehr wirkungsvoll! So ein Bericht
würde jeden Sohn in Depressionen stürzen, vor allem
wenn er so eine starke Mutterbindung hat. Und das
wusstest Du!«
»Sagen wir, es war ein logischer Schluss.«
»Ich glaubâs nicht! Das hast Du gemacht!«
»Ich weiÃ, es ist sehr
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