Der Kelim der Prinzessin
sie erst einmal finden -« Jalal sah mich merkwürdig von der Seite an. »Und das wird der Anblick sein, den du nicht ertragen willst, William -« Ich wollte aufbegehren, stattdessen nickte ich dankbar. »Darum entferne dich!«, befahl er mir, und ich erhob mich und verließ wankend den Ort ...
Wie lange ich am Seeufer herumgeirrt, darüber könnte ich keine Rechenschaft geben. Schließlich kehrte ich zurück, in der bangen Hoffnung, dass der Kelch, den ich fürchtete, bereits gnädig an mir vorübergegangen war.
Der Kelim lag am gleichen Platz, auch sein Zustand schien mir unverändert. Der Sufi nahm mich zur Seite, wie ein Kind, dem man beibringen muss, dass seiner lieben Mutter etwas zugestoßen sei. Jalal zeigte verstohlen auf die immer noch um den Kelim herumhockenden Beduinen.
»Wir haben überall nachgeschaut«, verriet er mir mit gedämpfter Stimme, »besonders rings um die Stelle, wo wir sie zum letzten Male gesehen - von der Prinzessin und Roc Trencavel ist nichts zu finden, kein Knöchelchen, kein Tropfen Blut, nicht die geringste Spur!«
Ich muss ihn ungläubig angestarrt haben, zumindest wenig überzeugt, denn das war ich auch mitnichten. Jalal bot mir an, ich könnte selbst jeden Fuß des sandigen Bodens durchwühlen, dafür würden seine Leute den Kelim der tausend djinn - bei gutem Zure-493
den - und etwas bakshish noch einmal lüften - obgleich sie sich vor dem ihm innewohnenden Fluch entsetzlich fürchteten. Das wollte ich weiß Gott nicht, deshalb schlug ich ihm vor, die Beduinen sollten den Kelim so liegen lassen, wie er lag, und ihn stattdessen mit Sand bedecken, bis nichts mehr von ihm zu sehen sei. Das gefiel dem Derwisch, und ich überließ der Karawane den Beutel mit dem Gold, jenes Blutgeld, das mir Naiman zugesteckt hatte, bevor ich ihn tötete. Eigentlich hatte der Kerl sein Ziel erreicht: Rog und Yeza waren tot. Waren sie tot?
Während die Beduinen damit begannen, körbeweise Sand über den Kelim auszuschütten, sah ich meine Kinder ins glutrote Licht der untergehenden Sonne davonreiten, zwei schwarze Silhouetten, die mit zunehmender Entfernung immer mehr an Gestalt verloren - bis sie mit dem Feuerball eins waren.
SCHON UM SICH NICHT dem Verwesungsgeruch der zig-tausend Leichen auszusetzen, hatte Sultan Qutuz unmittelbar nach der gewonnenen Schlacht weitab von Ain Djalud das Aufschlagen seines Lagers zwischen dem Städtchen Nazareth und dem das Land beherrschenden Berg Tabor befohlen. Irgendwelche Angriffe hatten die Mamelucken jetzt nicht mehr zu befürchten. Sie setzten deswegen auch den Geflohenen nicht nach. Vor allem die von den Mongolen verpflichteten Hilfskontingente, christliche Ritter aus Antioch, Armenien und selbst aus dem fernen Königreich von Georgien, hatten sich mit der Kriegstaktik der Muslime vertrauter gezeigt als die sieggewohnten Mongolen und waren weitaus weniger erpicht darauf, sich mit den gefürchteten Mamelucken im Kampf zu messen. Viele von ihnen setzten sich rechtzeitig ab und entgingen so dem mörderischen Kesseltreiben in den Hügeln rings um Ain Djalud. Teils schlugen sie sich durch bis zur Templerburg Athlit am Meer oder hinauf zum Turm der Johanniter auf dem Berg Tabor. Dennoch in Gefangenschaft geriet, wer am Belvoir anklopfte, dem Kastell oberhalb des Jordantals, das Baibars zuvor schon vorsorglich in seine Hand gebracht.
Einige flohen schwimmend über den Fluss
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oder wichen aus in die Berge. Einheimische Christen halfen ihnen, nur die Templer von Safed wiesen hartherzig jedem Flüchtling die Tür.
Im kaum errichteten Feldlager der Mamelucken wird der gefangene Kitbogha vor Sultan Qutuz gebracht. Der verhöhnt den Feldherrn der Mongolen ob der Unzuverlässigkeit seiner armenischen Verbündeten und der Ritter aus Antioch, die ihn schmählich im Stich gelassen hätten.
»Christen können nicht treu sein!«
Das ließ der Alte, der sich sonst wenig aus seinem Glauben machte, nicht auf sich sitzen. »Ich bin mein langes Leben stets meinem Herrn, dem Il-Khan treu geblieben, im Gegensatz zu gewissen Emiren der Mamelucken!«
Sein Blick hätte dabei nicht verächtlich auf Baibars fallen sollen, denn das entging dem Sultan nicht. Für ihn war der Alte bereits ein toter Mann, so ließ er es zu, dass der Emir sich den betagten Feldherrn griff. Seinen Ärger überlegen im Zaume haltend, führte Baibars den Gefesselten aus dem Zelt. Auf dem freien Platz davor hieß er Kitbogha niederknien, doch den Gefallen tat ihm der Alte nicht. Sollte der Mameluk
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