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Der Lilienring

Titel: Der Lilienring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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übertragenen Sinn, meine ich. Ohne großes Theater drum. Ja, und wo man festgehalten wird, ohne dass man darum bitten muss. Ich weiß nicht, ob ich mich richtig ausdrücke, Ana. Aber ich glaube, du könntest das ganz gut.«
    »Woher nimmst du diese Weisheit, Jan?«
    »Ich laufe nicht blind durch die Welt.« Er lächelte traurig. »Außerdem hat mir Jenny das mal so erklärt. Sie hat dich so gesehen.«

    »Ja, Jennifer war eine gute Beobachterin. Wahrscheinlich viel zu gut.«
    »Du versteckst dich gerne hinter der kühlen Maske, Ana. Wirst schon wissen, warum.«
    Dem gab es nicht viel hinzuzufügen.
    Jan wischte schließlich mit einer Handbewegung die Melancholie aus seinem Gesicht und erzählte mit einem spitzbübischen Grinsen: »Übrigens, du müsstest mal erleben, wie Sweet Cosy mit deinem Valerius umgeht. Die hat ihn voll im Griff.«
    »Was bedeutet?«
    »Sie kommandiert ihn! Im Geschäft, nicht privat. Die Baustelle könntest du übernehmen.«
    »Ich finde dich erfrischend, Jan.«
    »Immer gern zu Diensten. Wer hatte denn nun wirklich die Finger im Spiel bei dem Unfall deines Vaters?«
    »Gehen wir ein Stück am Rhein entlang?«
    »Gehen? Du meinst wirklich – gehen?«
    »Wir gehen. Es ist gut für die Ohren.«
    »Oh, ich verstehe. Na, dann gehen wir eben. Aber nicht so weit.«
    »Faulpelz!«
    »Wenn du wüsstest, was ich zu schleppen habe.«
    »Schon gut.«
    Wir spazierten hinunter zum Ufer, und ich warf den Enten ein paar Krümel meines zu trockenen Kuchens zu, den ich nur zur Hälfte gegessen hatte.
    »Na los, Ana, was geht ab in der Sache?«
    »Es hat etwas mit der Mütterproblematik zu tun, Jan. Der peinliche Verdacht, der mich seit den letzten Gesprächen mit Kommissarin Frederika – du kennst sie vermutlich auch – bewegt, ist, meine liebende Mutter könne die Bonbons mit pulverisierten Beruhigungsmitteln versetzt haben.«
    »Scheiße.«

    »Kann ich meine Mutter anzeigen? Ich stehe mich nicht gut mit ihr, aber – erstens, ich muss es nicht, denn sie ist meine nächste Verwandte, und – zweitens, trotz allem, ich bringe es nicht über mich. Meine Nächte sind derzeit nicht besonders erholsam, weißt du.«
    Ich drehte mich um und lehnte mich an ihn. Er wickelte seine langen Arme um mich und streichelte meinen Rücken.
    »Das glaube ich dir.«
    »Du bist der Erste, dem ich das überhaupt anvertraue, Jan. Noch nicht einmal Rose habe ich davon erzählt.«
    »Meine Güte, du sitzt aber auch in vielen Zwickmühlen.«
    »Ja, das Zwicken will überhaupt nicht aufhören.«
    »Willst du nicht doch mit Corvin darüber sprechen? Ich meine, er ist ein Mann, der solche Dinge irgendwie anpacken kann.«
    »Klar, vor allem, weil sein Neffe Falko Roman der ermittelnde Staatsanwalt in dieser Sache ist.«
    Jetzt gab Jan noch nicht einmal ein »Scheiße!« von sich. Aber er hielt mich fester. Dann murmelte er leise: »Anahita, du trägst den Namen der Mondgöttin. Und der Mond hat seine helle und seine dunkle Seite. So wie es gute und schlechte Mütter gibt. Das wirst du wohl so akzeptieren müssen.«
    Ich befreite mich vorsichtig aus seiner Umarmung, und wir gingen zurück.
    »Danke, Jan. Ist gut, dass ich darüber sprechen konnte.«
    »Ich denk mal drüber nach, Ana. Kann ich dich anrufen?«
    Ich zog eine meiner Karten aus der Tasche und reichte sie ihm.
    »Hier stehen alle möglichen Nummern und Adressen drauf.«

    »Danke. Hier sind meine. Über die Entrümpler kriegst du mich immer. Auch über Cosy.«
    »Ach ja?«
    »Ja.«
    »Nett?«
    »Nett?«
     
    »Leider nur geschäftlich.«
     
    Die neuesten Entwicklungen und meine vielen Gedanken dazu behielt ich zunächst einmal für mich, als wir uns am Mittwoch zu unserer Geschichtsstunde zusammensetzten. Dafür war die Zeit noch nicht reif.
    Cilly hatte die Zeitungsartikel ausgewertet und Nachforschungen angestellt. Was herauskam, das war eine stimmige Angelegenheit, die sich nahtlos in die Aufzeichnungen einfügte, die Marie-Anna erstellt hatte.

Tagebuch 2

11. Kapitel
    Schmuggelfahrt
    Mit selbstbewusstem Blick und schwingenden Röcken verließen die beiden vierzehn- und fünfzehnjährigen Mädchen die »Fliegende Brücke« und traten an das Rheinufer. Sie warfen den Zöllnern ein paar Scherzworte zu und wollten durch das Tor an der Markmannsgasse in die Stadt eintreten.
    Dieses Mal hatten sie Pech.
    Einer der Zöllner hielt sie an und befahl sie barsch in das Zollhäuschen. Hier erwarteten sie zwei der Zöllnerinnen, die die Verwaltung eigens dazu ernannt hatte, um die

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