Der Maedchenmaler
es.«
»Dazu muss man sehr viel bluten.«
»Nicht wirklich trinken.« Ruben wird ungeduldig. Die Adern an seinen Schläfen treten hervor. »Wir lecken es auf.«
Bloß nicht weinen. Dann wird er wütend. Aber wenn sie doch so eine Angst vor dem Messer hat.
»Du brauchst ja nicht hinzugucken. Es geht ganz schnell. Du merkst es fast nicht.«
Jetzt kommen die blöden Tränen doch. Ilka plinkert sie weg.
»Wenn du heulst, dann können wir das Ganze gleich vergessen.«
»Ich heul ja gar nicht.«
»Komm. Lehn dich an mich, dann ist es schnell vorbei.«
Ilka versteckt das Gesicht an seiner Schulter. Sie schließt die Augen. Dann schreit sie auf.
»Pscht! Willst du, dass Mama uns hier findet?«
Ilka hält ihre linke Hand umklammert. Das Blut läuft ihr in den Ärmel, zieht eine hässliche Spur. Ihr wird schwarz vor Augen.
»Atme!« Ruben schüttelt sie. »Du sollst atmen!«
Gehorsam holt sie Luft. Es hilft ein bisschen.
Ruben schneidet sich ins Fleisch, drückt seinen Handballen auf ihren. Dann leckt er das Blut von ihrer Wunde auf. Seine Zunge liebkost ihre Haut, wandert an ihrem Arm entlang, tilgt die rote Spur.
»Und jetzt du.«
Er hält ihr die Hand hin, die Hand mit all dem verschmierten Blut, und Ilka würgt und schließt die Augen, wendet sich ab. Ruben fasst sie im Nacken und hält sie fest, dann drückt er seine Hand gegen ihren Mund.
Sie spürt den metallischen Geschmack auf der Zunge. Zwingt sich zu schlucken.
Rubens Griff lockert sich. Er beugt sich zu ihr herunter und küsst sie.
»Du und ich«, sagt er. »Ich und du. Bis in alle Ewigkeit.« Er küsst sie noch einmal. »Wiederhol es.«
»Du und ich«, sagt Ilka. »Bis in Ewigkeit.«
Sie bleiben so, eng aneinander geschmiegt, und schauen zu den kleinen Dachfenstern, auf die der Regen klopft. Ilkas Übelkeit macht einem Gefühl von Geborgenheit Platz.
Ruben vergräbt das Gesicht in ihrem Haar. Sie spürt seinen Atem auf der Kopfhaut. »Jetzt gehörst du mir«, flüstert er. »Keiner wird uns jemals trennen.«
»Und wenn doch?«, fragt Ilka ängstlich.
»Dann hol ich dich zurück«, sagt Ruben. »Und wenn nötig, bring ich ihn um.«
Sie hatte es nicht vergessen. Sie hatte es nur tief in sich verborgen. Und jetzt war es geschehen. Er hatte sie zurückgeholt.
»Mike«, flüsterte sie hilflos. Doch dann erstarrte sie. Was, wenn Mike sie suchte? Wenn er Ruben in die Quere kam?
Wenn nötig, bring ich ihn um.
»Bleib, wo du bist«, flehte Ilka. »Such nicht nach mir.«
In diesem Augenblick hörte sie etwas. Ein dumpfes Geräusch, dann ein Klimpern, ein Klappern, Schritte, die sich näherten. Rasch legte sie sich hin, mit dem Gesicht zur Wand, und zog die Decke ans Kinn.
Ruben.
Sie spürte seine Gegenwart durch die geschlossene Tür. Er stand da und lauschte.
Ilka lag vollkommen reglos und hielt den Atem an, während ihr Herzschlag verrückt spielte. Wenn Ruben glaubte, dass sie immer noch schlief, würde er vielleicht wieder gehen.
Und dann?
Kapitel 13
Jettes Stimme hörte sich klein und verloren an, aber Bert Melzig ließ sich davon nicht täuschen. Er wusste, dass dieses Mädchen eine erstaunliche Kraft besaß. Aufmerksam hörte er ihr zu und unterbrach sie nicht.
»Und der Beamte hat Ilkas Tante wieder nach Hause geschickt und ihr geraten abzuwarten«, schloss sie.
Zu Recht, dachte Bert. Erfahrungsgemäß tauchte so mancher Vermisste verkatert wieder bei seinen Lieben auf. Es war auch nicht ungewöhnlich, dass junge Leute mal für ein paar Tage verschwanden, um sich den Wind um die Nase wehen zu lassen. Kein Grund, in Panik zu verfallen und sofort den gesamten Polizeiapparat anzukurbeln.
Dennoch war er hellhörig geworden. Irgendwo in seinem Unterbewusstsein hatte ein Warnlämpchen aufgeleuchtet.
Erziehungsberechtigte war eine Tante des Mädchens. Das klang nach Komplikationen. Bert sah sehnsüchtig zu der Flasche Bordeaux hinüber, die er gerade geöffnet hatte. Sie würde warten müssen. Auch Margot, die eben von einer Geburtstagsfeier nach Hause gekommen war und darauf brannte, ihm die Neuigkeiten zu erzählen, würde warten müssen.
»Gut«, sagte er. »Geben Sie mir zwanzig Minuten.«
Margot runzelte die Stirn.
»Tut mir Leid.« Er gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Ich muss noch mal weg.«
»Weißt du, wie spät es ist?« Wenn Margot gereizt war, klang ihre Stimme höher als sonst. Dann war es nur ein kleiner Sprung, bis sie anfing zu keifen. Wie ein Marktweib, dachte Bert müde. Wo
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