Der Mann der nicht zu hängen war
Koffer des anderen. Er hört noch die schrille Stimmer seiner Frau: »Du hast mich ja nie verstanden! Liebe allein genügt nicht, um Menschen glücklich zu machen. Und außerdem, er versucht nicht, eine kluge Frau aus mir zu machen! Er nimmt mich so wie ich bin!«
Randolph hat den ganzen Vormittag das Hotel bewacht, dann das Namensregister der Gäste überprüft. Selena ist nicht da. Auch der Anruf bei ihrer Jugendfreundin ist negativ, negativ auch die Auskunft des Schönheitsinstituts, das sie früher besuchte. Und auch im Friseursalon hat man sie schon lange nicht mehr gesehen. Er hatte es beinahe geahnt, aber diese Arbeit gehört nun mal zur Routine. Sie ist auch aus dem Tennisclub ausgetreten, und ihre Juwelen kauft sie jetzt anderswo.
Am späten Nachmittag fährt Randolph Stillway also mit seinem Wagen nach Brighton. Er macht sich keine besondere Hoffnung, aber die 80 km nimmt er noch in Kauf. Brighton — ein nobler Badeort, seit George IV. als Prince of Wales hier weilte. Am frühen Abend kommt er an. Im Winter ist es sehr ruhig. Die Nächte sind kalt. Die Wellen brechen über die Pier. Das Haus, das er sucht, steht ein wenig abseits am Ende einer kleinen Straße. Es ist kein elegantes Haus, aber es liegt ideal direkt am Meer, im Sand, mitten im Seewind. Vor dem alten Zaun steht ein Wagen. Die Fensterläden sind geschlossen. Und nirgendwo brennt Licht.
Randolph verbrachte die ganze Nacht in seinem Wagen, warm eingehüllt in eine Decke. Ein Agent denkt an solche Dinge. Auch eine Thermosflasche mit Tee hatte er mitgenommen und genug Zigaretten. Doch warum hat er erst am frühen Morgen an die Tür geklopft? Wahrscheinlich hat er die ganze Nacht doch noch versucht, die unmögliche Gleichung zu lösen, die ihn bis vor dieses Häuschen geführt hat.
Aus dem Bericht der Polizei von Brighton haben seine Vorgesetzten zuerst erfahren, was dann geschah: »Doppelter Selbstmord in einem Haus direkt am Strand. Das Haus — ganz aus Holz gebaut — brannte völlig aus. Ursache des Feuers unbekannt. Die zwei Körper konnten nur anhand der Nummernschilder zweier parkender Wagen identifiziert werden.«
Und kurz darauf erhielten sie jenen Brief, den Randolph an jenem Abend zuvor eingeworfen hatte:
»Ich glaube, daß ich richtig handle. Ich könnte den Gedanken nicht ertragen, sie in den Tod zu schicken. Ich kann mich aber auch nicht entschließen, Ihr Vertrauen in mich zu enttäuschen, indem ich versuche, sie zu retten. Außerdem würde sie es gar nicht begreifen. Ich bedeute ihr seit langem schon nichts mehr. Früher oder später würden Sie sie ohnehin finden — und ich tauge nicht zum Verräter.
Aber ich liebe sie noch. Ich habe also die Lösung gewählt, mit ihr zusammen zu sterben. Möge mir Gott den Mut und die Kraft geben, alles schnell zu machen, damit sie nicht leiden muß. So wird alles geregelt sein, und was mich betrifft: Ich habe meine Pflicht erfüllt.«
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