Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman
Aktentasche und legte ihn neben meinen Teller. »Ich hab dir ein paar Essentials für die PK aufgeschrieben, Georg. Präg sie dir gut ein! Wichtig ist: Keine Details und keine Namen. Wenn du gefragt wirst, bleib allgemein und antworte möglichst knapp! Die Sado-Maso-Spiele der Benningdorf dürfen nicht ausgewalzt werden, das bringt uns zu sehr in die Schmuddelecke. Erwähne auf keinen Fall die Namen Benningdorf oder Prückner! Sonst haben die morgen einen Haufen Reporter vor der Hütte und plaudern Sachen aus, die uns nicht in den Kram passen. Vergiss nicht: du bist der Held, aber Wolfgang ist der Star. Er redet, du nickst freundlich. Die News, die wir rüberbringen wollen, sind: Wolfgangs Weste ist weiß, seiner Berufung zu höheren Aufgaben steht nichts mehr im Wege. Das bringt uns im Wahlkreis noch mal ein paar Prozente. Schließlich wollen die Wähler auf der Seite des Siegers stehen. Allenfalls lassen wir anklingen, dass das Ganze möglicherweise ein Komplott der politischen Gegenseite war.«
»Wofür es keinen Beweis gibt«, sagte ich.
»Ja. Aber es kann nie schaden, dem Gegner in den Tee zu pissen.«
»So ist die Politik«, sagte Schwarz. Er kippte seinen zweiten doppelten Whisky und bestellte den dritten.
Geskamp zog die Augenbrauen skeptisch zusammen. »Wolfgang!«
»Sag’s nicht, Till! Heute wird gefeiert.«
»Du musst morgen früh fit sein.«
»Ich bin immer fit, wenn’s darauf ankommt. Denk an unsere letzte Südamerika-Tournee! Da war ich praktisch achtundvierzig Stunden fit, weil ich in dem verdammten Flugzeug nicht schlafen konnte. Dieser Henker von Pilot ist in jedes verfluchte Luftloch geflogen, das über Südamerika zu finden war. Ich habe keine Stunde am Stück geschlafen – und wie war ich?«
»Du warst großartig«, sagte Geskamp.
»Eben«, knurrte Schwarz. »Politik ist die Kunst, auf Knopfdruck einen ausgeschlafenen Eindruck zu machen und den Leuten das zu erzählen, was sie hören wollen.« Er trank den dritten Whisky zur Hälfte, seine Augen wurden glasig.
»Wolfgang!«, sagte Geskamp warnend.
»Halt die Klappe, Till! Wenigstens ein- oder zweimal im Jahr möchte ich die Wahrheit sagen. Herr Wilsberg wühlt ständig im Dreck, der ist nicht so leicht zu schockieren, oder?« Er zeigte mir zwei Reihen generalüberholter Zähne.
»In Ihrem Buch definieren Sie Politik anders«, wich ich aus.
Schwarz lachte. »Hast du das gehört, Karin? Er hat mein Buch gelesen.«
Die Assistentin zuckte zusammen. Ihr Chef bedachte sie mit einem lüsternen Blick.
»Da sind Sie einer von höchstens fünfen. Dem Parteivorsitzenden habe ich auch ein Buch geschenkt. Wissen Sie, was er gesagt hat? ›Hast du die Stellen angestrichen, in denen ich vorkomme?‹ Politikerbücher werden eigentlich nur von Journalisten gelesen, die auf der Suche nach verwertbaren Sticheleien sind. Keiner glaubt, dass man sie selber schreibt. Sie haben nur einen einzigen Sinn und Zweck: Sein Ding auf den Tisch zu legen und zu beweisen, dass es größer ist als das der anderen.«
Schwarz war lauter geworden, an den Nachbartischen spitzten die Wahlhelfer die Ohren.
»Wolfgang«, sagte Geskamp leise, »man hört mit.«
»Sollen sie doch. Morgen backe ich wieder Sandkuchen, aber heute nicht, verdammt noch mal. Lesen Sie Zeitung, Herr Wilsberg?«
»Manchmal.«
»Jeder, der Zeitung liest, weiß, dass es in der Welt andere Probleme gibt als die, mit denen sich die Politiker öffentlich beschäftigen. In der Dritten Welt brechen die staatlichen Ordnungen reihenweise zusammen. Und mit Dritter Welt meine ich nicht nur Afrika. In Albanien hat es gerade mal vierzehn Tage gedauert, da war der Staat komplett von der Bühne verschwunden. Keine Polizei mehr, keine Armee, keine Behörden, nichts. Und ich könnte Ihnen eine ganze Latte von Ländern aufzählen, in denen Ähnliches passiert ist oder passieren wird: Somalia, Ruanda, Kongo, Afghanistan, Algerien, Kolumbien, Teile von Ex-Jugoslawien und Russland, ehemalige sowjetische Staaten. Riesenstädte wie Kairo sind praktisch unregierbar. Stellen Sie sich einen Aufstand in Kairo vor! Niemand wäre in der Lage, ihn zu stoppen. Stellen Sie sich vor, in Ländern, die über Atomwaffen verfügen, wie Indien oder Pakistan, bräche die staatliche Ordnung zusammen! So unwahrscheinlich ist das ja nicht. Dann würden Atomwaffen in die Hände von Terrorgruppen geraten, die keine Bedenken hätten, sie einzusetzen, auch bei uns. Eine Situation, die absolut unbeherrschbar wäre.«
Schwarz lehnte sich
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