Der Mörder von Richmond Hill Kommissar Morry
verfügte ich noch nie."
„Es kann Ihnen doch unmöglich entgangen sein, daß ich bei keinem unserer Zusammentreffen versäumte, die Rede auf Ihre geschätzte Schwester zu bringen. Oder irre ich mich?"
„Alle möglichen Leute fragen mich nach Beatrice. Sie ist jung, schön und begabt. Ich sehe nicht ganz ein, was das ..."
Carter hob die Hand. Er tat es mit einem freundlichen Lächeln und ließ sie wieder fallen, als Vickers schwieg.
„Ich würde es mir als hohe Ehre anrechnen, Ihr Fräulein Schwester heiraten zu dürfen."
Vickers sah verblüfft aus. „Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst?"
„Warum sollte ich scherzen? Heirat ist ein ernstes Thema. Beatrice ist genau die richtige Frau für meine politische Laufbahn, Sie ist schön, sie besitzt kulturelles und gesellschaftliches Format, sie entstammt einer bekannten alten Familie. Das alles muß mir unschätzbare Vorteile ein- 1 bringen. Es wird mich von dem Geruch reinigen, nur ein Parvenü zu sein. Ein Mann ist im übrigen so jung wie die Frau, die er heiratet. Ich bin gesund, ich bin vital. Ich mag nicht den Schliff und die Delikatesse besitzen, die Ihren Familienmitgliedern eigen sind, aber ich habe gewisse Vorzüge, die ich als Ausgleich und ideale Ergänzung sehr wohl ins Feld führen kann. Nehmen Sie meinem wirtschaftlichen Einfluß, meinen Reichtum ..."
„Hören Sie auf!" schrie Vickers.
Er hatte ein hochrotes Gesicht bekommen.
„Habe ich etwas Falsches gesagt?"
„Allerdings!" erwiderte Vickers. Er hatte die Stimme gesenkt und lehnte sich zurück. „Alles, was Sie sagen, ist falsch. Schlagen Sie sich diese blödsinnige Heiratsidee aus dem Kopf! Beatrice wird, wenn überhaupt, gewiß keinen Jonathan Carter heiraten."
„Davon bin ich nicht überzeugt", sagte Carter sanft.
Vickers mußte plötzlich lachen. Er schüttelte den Kopf. „Ich sollte Sie nicht so ernst nehmen. Es ist besser, wenn ich die Sache von der heiteren Seite betrachte. Trotzdem sind Sie erstaunlich. Wirklich erstaunlich! Ich habe Ihre besitzergreifende, derbe Art immer ein wenig bewundert; sie war so verschieden vom meiner Mentalität, und es gibt keinen Zweifel, daß Sie damit im Leben Erfolg hatten. Aber jetzt bekommt diese Eigenschaft ausgeprägt groteske Züge. Sie schießen weit am Ziel vorbei, Carter."
„Weil ich heiraten will?"
„Das ist Ihre Sache. Nichts gegen eine Heirat. Nach allem, was man von Ihrer etwas frivolen Lebensführung hört, wird es Zeit, daß Sie unter die Haube kommen. Nein, Sie haben sich nur die falsche Partnerin ausgesucht. Sie sind ein alter Mann, Carter, und Ihre gepriesene Vitalität wird schon bald über Nacht erlöschen. Beatrice wird ihre Jugend und ihre Begabung nicht an einen skrupellosen Lebemann Ihres Schlages verschwenden."
„Ihre Worte verletzen mich, Vickers."
„Das tut mir leid. Aber Sie haben diese Stellungnahme geradezu herausgefordert. Beatrice würde Sie niemals heiraten, Carter. Unter keinen Umständen."
„Auch nicht, wenn Sie Ihren persönlichen Einfluß in die Waagschale werfen?"
„Ich? Erlauben Sie mal... weshalb sollte ich etwas derartig Widersinniges tun?"
„Weil ich es will."
Carters Stimme war scharf geworden. Er blickte seinem Gegenüber hart in die Augen. „Ich weiß, daß Sie der Mörder sind, Vickers."
Der Hausherr bewegte sich nicht. Er saß ganz ruhig, ein Beini über das andere geschlagen, die dunklen Augen eher interessiert als erschreckt auf Carter gerichtet.
„Jetzt begreife ich Ihre merkwürdige Gesprächseinleitung."
„Ich sagte, daß Sie den Mörder kennen, und ich fügte hinzu, daß Sie ihn gut kennen ... ebensogut, wie man sich selbst zu kennen vermag. Der Dialog hat mir Spaß gemacht. Während der ganzen Zeit hatte ich einen Pfeil in meinem Köcher, von dem Sie nichts ahnten. Lieber Himmel, wer kennt sich schon selbst? Hätten Sie noch vor einem Monat vorauszusagen gewußt, daß Sie eines Mordes fähig sind?"
„Da Sie eine so unsinnige Behauptung aufstellen, sind Sie gewiß auch in der Lage, sie zu untermauern?"
„Ja, mein Freund. Ich folgte in der vergangenen Nacht meiner Nichte, weil..."
„Nun?"
„Weil ich sie töten wollte."
„Ein erstaunliches Geständnis."
„Es ist die Wahrheit. Ich hatte es bereits einmal versucht. Alles war großartig vorbereitet. Ich ging in den kleinen Salon, angeblich, um den Projektor und die Bildwand aufzubauen. In Wahrheit war alles schon aufgestellt. Ich ließ ein Tonband ablaufen. Es enthielt alle Geräusche, die beim Umräumen entstehen .. .
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