1176 - Der unheimliche Leichenwagen
Redcliff sagte nichts. Er kannte Carina Thomas noch nicht lange, aber er wusste, dass sie hartnäckig blieb, wenn sie sich mal etwas in den Kopf gesetzt hatte. Am liebsten hätte er die Wartezeit mit einer Zigarette überbrückt, aber Carina war sauer, wenn er rauchte, und deshalb ließ er die Glimmstängel stecken.
Die Haltung seiner Freundin hatte sich verändert. Sie saß da wie auf dem Sprung. Die Augen waren leicht verengt, und in ihrem Gesicht bewegte sich kein Muskel.
Rio hörte auch weiterhin nichts. Er hatte sich den Verlauf des Abends anders vorgestellt. Nach dem Besuch der Party waren sie in den Wagen gestiegen, um noch ein bisschen allein zu sein und Spaß zu haben. Raus aus dem Ort. Dahin fahren, wo es einsam war und sie niemand stören konnte. An den Waldrand, zu dem parallel der schmale Feldweg lief, auf dem sie jetzt parkten. Es war hier normalerweise ruhig, und er konnte sich nicht vorstellen, was Carina für ein verdächtiges Geräusch gehört hatte. Vielleicht hatte sie ihn auch nur ablenken wollen. Frauen reagierten seiner Meinung nach manchmal komisch.
Nachdem in den folgenden Sekunden nichts passiert war, versuchte es Rio wieder. Seine Hand rutschte auf Carina zu. Als er sie berührte, schüttelte sie fast wütend den Kopf. »Lass mich in Ruhe, Rio!«
»Meine Güte, was ist denn jetzt?«
»Halte nur deinen Mund!«
»Okay, wie du willst. Aber dann haue ich ab.«
»Ja, kannst du!«
Scheiße, dachte Rio. Das ist in die Hose gegangen. Es war nicht einfach, bei Carina zu landen. Sie hatte ihren eigenen Kopf und setzte ihren Willen durch.
In der Umgebung jedenfalls regte sich nichts. Es war stockfinster. Selbst der Mond malte sich nicht am Himmel ab, und die Schatten des nahen Waldes schienen in den Fiat hineinzuwachsen. Ein seichter Wind fuhr über das Land. Er bewegte die Blätter der Bäume, wie aus einer großen Flüstertüte kommend.
Der schmale Feldweg war ebenfalls nicht zu sehen. Es brannte zudem kein Licht in der Nähe, sodass sich beide vorkamen wie in einer gewaltigen Höhle eingeschlossen.
Rio verdrehte die Augen, während Carina noch immer gespannt auf dem Sitz hockte. Sie schaute aus dem Fenster und hatte sich gedreht. So war sie für Rio nur im Halbprofil zu sehen.
»Na…?«
»Ich warte noch.«
»Toll. Wie lange?«
»Weiß nicht.«
»Aber nicht die ganze Nacht.«
»Hör auf mit deinen Scherzen.«
Sie hatte die Antwort kaum gegeben, als es passierte und auch Rio es hörte.
Plötzlich erreichte sie das harte Tuckern. Ein Geräusch, das zunächst nicht eingeordnet werden konnte. Etwas schlug gegen eine Platte aus Metall, dann veränderte sich das Geräusch und ging über in ein verhaltenes Knattern.
»War es das?«, fragte Rio.
»Genau!«
Er musste lachen. »Weißt du eigentlich, was das ist?«
»Nein.«
»Ich auch nicht.«
»Das beunruhigt dich nicht?«
»Warum denn?«
Carina gab keine Antwort. Sie lauschte weiterhin und erfuhr, dass dieses Knattern blieb. Es war allerdings leiser geworden, und das sah sie als kleinen Vorteil. Trotzdem verschwand es nicht. Es veränderte sich. Mal war es leiser, mal lauter, und Carina konnte nicht mal bestimmen, aus welcher Richtung es sie erreichte. Das wiederum ärgerte und ängstigte sie leicht, denn sie hatte das Gefühl, als wäre sie von Feinden umgeben.
»So was ist doch nicht normal, Rio.«
»Was weiß ich denn?«
»Klar, du weißt gar nichts. Wie immer.«
»He, das kannst du nicht sagen.«
»Ich jedenfalls will nicht länger bleiben.« Da Rio etwas getrunken hatte, war es Carina gewesen, die sich hinter das Lenkrad gesetzt hatte. Auch jetzt hatte sie den Platz nicht verlassen. Mit einem Griff fand sie den Zündschlüssel.
Der Motor des Fiat stotterte etwas. Irgendwie hörte er sich an wie das fremde Geräusch, sodass Carina an ein anderes Fahrzeug dachte, das in der Nähe fuhr.
Aber um diese Zeit? In dieser Nacht?
Sie gab Gas. Der Fiat rutschte leicht auf dem etwas nassen Boden, ohne weitere Probleme zu bereiten, und Carina bekam das Fahrzeug schnell in den Griff.
Ihr Freund sagte nichts mehr. Beleidigt hockte Rio neben ihr und hielt die Arme vor der Brust verschränkt.
Carina lenkte den Wagen über den schmalen Feldweg. Sie blieb dabei in der Nähe des Waldrandes.
Sie wollte die Straße erreichen und dort die Flucht ergreifen. Das Geräusch machte ihr zwar keine Angst, aber es beunruhigte sie. Den Grund konnte sie nicht benennen. Vielleicht lag es auch an der Umgebung, die ihr jetzt wenig romantisch, dafür
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