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Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Tillmanns
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ausdrucksloses Gesicht. »Wann habt Ihr diese Situation bemerkt?«
    »Gegen Mittag.«
    »Warum habt Ihr das Brot überhaupt angetastet? Musstet Ihr nicht annehmen, dass dies das Missfallen Ihrer Majestät erweckt?«
    Er schüttelte den Kopf. »Es ist ein Probeschnitt, Eure Capitalobservatorin. Ich wollte sehen, ob das Brot auch innen aufgegangen ist. Bei einem Laib dieser Größe ist das schwierig.« Seine Augen suchten offenbar einen Punkt über ihrem Kopf. »Bei den Feierlichkeiten wird natürlich alles wieder ganz frisch gebacken sein – oder wenigstens fast. Das Volk wird den winzigen Unterschied gar nicht bemerken.«
    »Und auch Ihre Majestät nicht«, bemerkte Dadalore spitz.
    Tongulaus schwieg.
    »Habt Ihr irgendeine Erklärung dafür, was drei echsische Krieger in Eurem Brot verloren haben?«
    »Sie sind dort begraben«, antwortete er.
    Dadalore kniff die Augen zusammen, versuchte zu ergründen, ob er sie zum Narren hielt. Sie setzte ein sehr freundliches Lächeln auf. »Passiert das häufiger in Euren Broten?«
    Der Bäcker blieb stumm.
    Eine Redepause konnte Bimkugard keineswegs ungenutzt lassen. »Ich bitte Euch, zu den inneren Räumlichkeiten des Palastes haben die Ruptu gar keinen Zutritt, vermutlich wegen Ihres Gestankes, sage ich immer.« Sie lachte auf. »Völlig ausgeschlossen, dass sie an all den Sicherheitsvorkehrungen vorbei ... und noch dazu ungesehen! Es sind ja schließlich keine Geister, wenn Ihr versteht.«
    Die Capitalobservatorin wirkte einen Moment nachdenklich, dann fasste sie sich wieder. »Tongulaus, habt Ihr diesen Raum irgendwann während der letzten Stunden einmal verlassen? Eine Gelegenheit, zu der jemand unbemerkt hätte eindringen können?«
    »Nein«, erwiderte der Bäcker und wich ihrem Blick aus.
    »Möchtet Ihr mir vielleicht etwas sagen?«
    Der Hüne mahlte mit den Zähnen. Er versuchte abwechselnd links und rechts an ihr vorbeizusehen.
    »Im Namen Tyrtallas, Hofbäcker, macht Euch nicht unglücklich! In wenigen Tagen beginnen die Feierlichkeiten und wenn es irgendeine Gefahr für Ihre Majestät dort geben sollte, mache ich Euch für alles, was geschieht, persönlich verantwortlich, wenn Ihr nicht augenblicklich redet!«
    Man konnte förmlich zusehen, wie der Riese vor ihr schrumpfte. »Ich ... ich weiß auch nicht, wie das geschehen konnte, aber ich ... nun, ich ... bin eingeschlafen.«
    Einen Augenblick schien es, als würden die Augen der Ermittlerin Flammen sprühen, um ihn zu verzehren. Doch das Feuer erlosch ebenso rasch, wie es gekommen war. Es blieb nur das Gefühl einer großen Erschöpfung, das sich über sie legte wie eine schwere Last. »Es ist gut«, murmelte sie, »wendet Euch zur weiteren Befragung an Capitalprotektor Bamulaus-Warum-nicht.«
     
    Dadalore war mehr aus dem Palast heraus geschlurft als gegangen. Die Wirkung des Lakaien war so plötzlich verflogen, wie sie gekommen war, und hatte eine bleierne Leere zurückgelassen. Sie schalt sich eine Närrin, die Kugel so früh zerbrochen zu haben. Sie hätte den Zauber erst vor dem Tor des Palastes wirken sollen, damit hätte sie sich die Blöße erspart, davonzuschleichen wie ein geprügelter Hund. Nun denn, es war ihr erster Lakai gewesen und man mochte ihr nachsehen, dass sie ihn nicht optimal eingesetzt hatte. Wenn sie nur ein wenig mehr Erfahrung in diesen Dingen hätte, dann würde sie das Scheitern nicht so quälen. Nun musste der gute Bamulaus für sie einspringen, dabei gehörten Befragungen eigentlich nur zu seinen Obliegenheiten, wenn keine Capitalobservatorin vor Ort war. Aber der Capitalprotektor hatte mehr als sechzig Winterwechsel gesehen und besaß – zuständig oder nicht – eben jene Erfahrung, die ihr fehlte.
    Dadalore passierte das Ostufer des Gelben Sees. Über die trägen Schlammwassermassen hinweg konnte man die Pfahlbauten Caramias sehen. Ob ihr Leben heute einfacher wäre, wenn sie nicht in den Sklavenpferchen der Krone, sondern in einem der großzügigen Bürgerhäuser Caramias geboren worden wäre? Gewiss wäre es weniger anstrengend. Aber es war eine Ehre, König Gowofred zu dienen, und so mancher Bürgersohn mühte sich ein Leben lang ab, um vergleichbare Ehren zu erreichen. Ihre Mentorin und Erzieherin Irmhobib hatte allzu forsche Fragen nach dem Leben anderer Stände stets im Keim erstickt. Zumindest hatte sie es versucht. Dadalore erinnerte sich an jeden Finger breit Boden der winzigen Kammer, in die Irmhobib sie immer gesperrt hatte. Und an die vielen Stunden, die sie in

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