Tricontium (German Edition)
1. Kapitel: Dreieinhalb Gefangene
Im Wasser war Blut gewesen; das war Ardeijas einzige klare Erinnerung an seine Gefangennahme, und die erste, die zurückkehrte, als er aus etwas, das halb Schlaf, halb Betäubung gewesen sein musste, zögerlich wieder erwachte. Alle anderen Bilder, die durch seinen Kopf tanzten, musste er erst ordnen, um zu wissen, ob sie der Wirklichkeit oder seinen unruhigen Träumen entstammten, wenn nicht gar anderen Kämpfen als dem, der ihn hierher gebracht hatte. Denn der Auwald, in dem er am Vortag, gestellt wie ein gehetztes Wild, zusammengesunken war, war der von Bocernae gewesen, wo vor fast sieben Jahren eine fürchterliche Schlacht getobt hatte. Nicht allein der Ort war allzu vertraut. Er hatte auch bekannte Gesichter unter seinen Verfolgern gesehen, das Theodulfs, des Schwertmeisters Asgrims vom Brandhorst, und einige, die für ihn keine Namen trugen. Am Ende war gar Asgrim selbst erschienen – oder auch nicht, denn das Bild, wie er mit gezogenem Schwert auf seinem Rappen saß, gehörte zu jenem ersten Bocernae, nicht zu dem neuen, das kaum besser gewesen war. Ardeija wusste auch nicht mehr sicher, wann er gegen einen Birkenstamm gelehnt, ein zerbrochenes Schwert in der Hand, die Stiefel im Wasser, gewartet und gebetet hatte, doch das konnte gestern gewesen sein, denn er meinte sich zu entsinnen, dass Gjuki auf seiner Schulter gekauert und sich, als er ihn hatte fortscheuchen wollen, in seinen Zopf gekrallt hatte.
Das fahle Licht der Dämmerung zwischen den Baumkronen war das gleiche gewesen, und wie beim ersten Mal hatte er in stummer Furcht das Näherkommen derer beobachtet, die sich in dem Wald so mühelos zurechtfanden wie die Kraniche, nach denen er benannt war. Ein schöner Name, Kranichwald; nur war dort bisher wenig Schönes geschehen. Im Wasser war Blut gewesen, und die Schmerzen, die jetzt seinen Kopf plagten und seinen linken Arm lähmten, hatten wohl schon dort begonnen.
Mit Bestimmtheit erinnerte er sich erst wieder an den Karren, der ihn zum Brandhorst hinaufgebracht hatte, ein schwerfälliges Gefährt, auf das sie ihn erst am Waldrand geladen haben konnten, denn man brachte keine Karren in den Kranichwald, es sei denn durch Zauberei. Doch zum Brandhorst hinauf war der Karren gelangt, und Ardeija in den Turm hinab, viele Stufen tief, bis in ein Gewölbe, das nun um ihn Stein für Stein wieder aus der Verschwommenheit heraustrat. Ein anderer Unglücklicher war dort gewesen, das wusste er noch, auch, dass Theodulf einen Wundarzt oder Medicus herbeigeholt hatte, dann aber nichts mehr, nur, dass jetzt ein neuer Herbstmorgen gekommen war, mit kalter Luft, die durch das Fenster weit über ihm drang, und all den gedämpften Geräuschen, die anzeigten, dass Asgrims Burg zu erwachen begann.
Jemand hatte eine raue Wolldecke über ihn gebreitet und ihm ein kühlendes Tuch auf die Stirn gelegt, soviel nahm er wahr, bevor ein entzückter Laut, der zwischen einem Zirpen und einem Zwitschern lag, ihm verriet, dass Gjuki noch immer bei ihm und froh über seine Rückkehr unter die Lebenden war. Seltsamerweise spürte er jedoch keine weiche Drachenschnauze an der Wange, und sobald es ihm unter Aufbietung einiger Willenskraft gelungen war, den Kopf zu wenden, erkannte er den Grund dafür.
Der kleine Drache hatte es sich auf dem Schoß ihres Mitgefangenen bequem gemacht und verspürte offensichtlich nicht die geringste Lust, sein warmes Nest in den Falten einer bereits mehr als einmal ausgebesserten Tunika zu verlassen, und das, obgleich sein neuer Bekannter seiner Freundschaft eigentlich nicht hätte würdig sein sollen. Denn das Handgelenk, um das Gjuki vertraulich den Schwanz geschlungen hatte, trug ein Brandmal, den ersten Buchstaben des Wortes thiufs , Dieb, geschwärzt, um auf immer gut sichtbar zu bleiben. Was auch immer der Mann gestohlen haben mochte, um diese Strafe zu verdienen, auf das Stehlen kleiner Drachen verstand er sich besser, als Ardeija lieb war.
Wäre er darüber weniger verärgert gewesen, hätte es ihm vielleicht leidgetan, wie rasch milde Verachtung für einen Augenblick jede andere Regung in ihm überlagerte. Als man ihn in den Turm geführt hatte, hatte die Erschöpfung seine Wahrnehmung genug getrübt, ihn glauben zu lassen, der Mann, den es vor ihm dorthin verschlagen hatte, sei nach einem verlorenen Kampf oder als Geisel in Asgrims Hand gefallen. Nun aber wusste er es besser. Wo er gehofft hatte, einen Freund in der Not zu finden, gab es nur einen
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