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Der Nachtelf - Himmel und Abgrund (German Edition)

Der Nachtelf - Himmel und Abgrund (German Edition)

Titel: Der Nachtelf - Himmel und Abgrund (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Tillmanns
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die Stadt von ihrer Vergangenheit eingeholt wird. All das Vergessen rächt sich.«
    Plötzlich hörte sie ein Geräusch hinter sich.
    Dadalore zuckte herum. Jemand näherte sich!
    Sie sah zu Waldini, aber der war – verschwunden. Verflucht, wie hatte er das gemacht? Sie sah hektisch zum Treppenabgang. Freiheit.
    Dann zurück zum Palast.
    Wieder zur Treppe.
    Und zum Palast.
    Da fällte sie eine Entscheidung.
    Sie stand dort und wartete.
    Ihre Geduld wurde auf eine harte, aber kurze Probe gestellt. Aus dem Grün des Gartens trat eine Gestalt im weiten Überwurf der Priesterinnen hervor. Sie trug eine Lampe an einem goldenen Henkel.
    Irmhobib.
    »Zum Abgrund, was macht Ihr hier?«
    »Sollte ich das nicht dich fragen, Kind?«
    Dadalore schluckte. Der Moment der Wahrheit war gekommen. »Ich trug mich mit dem Gedanken, den Alabasterpalast zu verlassen«, gab sie zu. Ihre Stimme klang nicht so fest wie beabsichtigt. Von Waldini sagte sie nichts.
    Irmhobib trat neben sie und ließ den Blick über die Dächer schweifen.
    »Wollt Ihr jetzt die Wächter rufen?«
    Irmhobib nickte. »Komm mit.«
    Dass sie keinesfalls die Palme hochkletterten, war klar. Doch Irmhobib nahm auch nicht den Weg, auf dem sie gekommen war. Sie führte die Sklavin den Abgang hinunter. Vielleicht war das ein winziger Vorgeschmack ihrer Strafe, denn die Tiefe neben den Stufen sog an Dadalore wie der ewige Abgrund Kalungas.
    Als sie endlich unten angelangt waren, hatte sie ganz weiche Knie. Aber Irmhobib gönnte ihr keine Rast, sondern trieb sie auf das nächstgelegene Tor zu. Es war der Eingang, den Aljani-Wer-schmeckt-die-Peitsche bewachte.
    Dadalore fühlte einen Kloß in ihrem Hals, doch sie gehorchte. Nur einmal, kurz vor dem Portal, drehte sie sich um und sah hinauf zu dem Dachgarten. Ein Schatten mit spitzer Kapuze stand dort oben und verdunkelte die Sterne.
    Dadalore blickte rasch weg.
    Dann waren sie am Eingang. »Wen haben wir denn hier – weit jenseits der Ausgangssperre?« Aljani lauerte in einer der Prunkuniformen der Palastgarde vor ihnen, flankiert von zwei Wächtern. Sie wirkten nicht weniger gefährlich, auch wenn Aljani zweifellos mehr Bosheit ausstrahlte. Dadalore sah zu Boden. »Ich habe ...«
    »... mich bei einem Spezialauftrag für den Ersten Königlichen Hofschamanen unterstützt«, fiel ihr Irmhobib ins Wort.
    Aljani funkelte sie an.
    Irmhobib sah mit festem Blick zurück. »Dürfen wir passieren?«
    Einen schrecklichen Moment lang rührte er sich nicht. In diesem Augenblick mochte er sich entscheiden, seine Waffe zu ziehen und sie beide festzusetzen, bis er einen Boten zum Hofschamanen entsandt hatte. Aber dann war der schreckliche Moment vorüber und er knurrte: »Natürlich.«
    Sie betraten den Palast und gingen durch die nachtleeren Korridore wie zwei Gespenster, die ein Irrlicht in einer Lampe gefangen hatten.
    »Irmhobib?«
    »Hm.«
    »Woher wusstest du, dass ich dort oben war?«
    »Ich hatte so eine Ahnung.«
    »Nur eine Ahnung?«
    »Du stehst an der Schwelle zur Welt der Erwachsenen. Bis heute teilte sich alles in Kinder und Erwachsene. Aber weißt du, ich war auch einmal jung.«
    Dadalore war sich nicht sicher, ob sie das verstanden hatte. Doch da an ihre zunehmende Reife appelliert worden war, schwieg sie für eine Weile.
    »Irmhobib?«
    »Hm.«
    »Warum hast du mich nicht an die Wächter verraten?«
    Ihre Mentorin verharrte. Sie sah ihr in die Augen, wofür sie eigens die Lampe hob. »So wie die Dinge um das Reich stehen ...« Sie suchte nach Worten und Dadalore traute sich nicht, sie zu unterbrechen. »Du, mein Kind, bist jetzt die Einzige, die freiwillig Sklavin ist.« Dadalore war seltsam zumute. »Nenne mich ein altes, abergläubisches Weib, aber ich habe so einen Verdacht, dass das ... in Zukunft ...« Sie holte tief Luft. »Es ist spät, und wir sollten beide schlafen gehen. Du hast morgen einen aufregenden Tag vor dir.«
    Sie bogen ab und näherten sich den Sklavenpferchen.
    »Irmhobib?«
    »Was denn noch?«
    »Nur interessehalber: Du betreust doch auch die Jungen. Kennst du eigentlich einen Waldini?«
    Sofort packte die Mentorin sie an der Schulter. Ihre Finger taten weh. »Ich weiß, dass der Garten sich hervorragend für ein Stelldichein eignet, aber wenn du dich erneut dort oben blicken lässt, kann dir niemand mehr helfen! Hast du das verstanden?«
    Dadalore war so überrascht, dass sie nicht antwortete.
    »Ob du das verstanden hast ?«
    »Ja, ich ... schwöre bei Tyrtalla, dass ich das nicht machen werde.

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