Der Parasit: Kurzgeschichte
hatten eine Gewalttat gegen ein menschliches Wesen verübt. Gegen eine Mutter. Eine Schwester. Eine Tochter. Ein Kind.
»Wir haben uns gegen diese Frau versündigt«, sagte ich der Bibelgruppe im Gefängnis. »Uns bleibt nur noch die Reue und die Hoffnung, dass Gott uns vergibt.«
Kirk schnaubte neben mir, sagte aber nichts.
»Sie war eine Prostituierte«, sagte ich der Gruppe. »Eine gefallene Frau. Aber daran war die Geißel der Drogen schuld. Die Sucht ließ ihr keine Wahl. Wir …«, und hier sah ich Kirk an, »hatten eine Wahl. Wir hätten das Richtige tun können. Aber wir haben uns anders entschieden.«
»Amen«, murmelten einige. Andere starrten uns nur schamlos an. Das taten sie immer. Selbst nach sechs Monaten konnten sie nicht damit aufhören.
Nach den Treffen half ich immer, die Stühle zu stapeln. Mit einer Hand war das nicht leicht, doch Kirk weigerte sich stur, mir in irgendeiner Form zu helfen. Obwohl dann alles viel schneller gegangen wäre. Doch das war nicht das einzige, was er nun nicht mehr tat. Zahnseide war längst kein Thema mehr. Er putzte sich nicht einmal mehr die Zähne. Seinen Bart ließ er wachsen und seine Augenbrauen würden sich demnächst über der Nasenwurzel treffen. Vor ein paar Tagen hatte ich versucht, sie zu stutzen, doch er hatte mich angeknurrt. Wir sahen aus, als wollten wir bei der Eröffnungsvorstellung des Gefängnistheaters von Georgia als Jekyll und Hyde auftreten.
Normalerweise verließ ich die Bibelstunde mit federnden Schritten. Aber Kirk musste meinen Schwung natürlich mit seinem matten Schlurfen ausbremsen. Als wir uns wieder einmal dahinschleppten wie König Lear, blieb ich stehen und drehte ihm den Kopf zu.
»Wir werden den Rest unseres Lebens hier verbringen, Kirk. Wir müssen das Beste daraus machen.«
»Fick dich doch.« Er kratzte seinen Bart und ich hörte ihn murmeln:»Nicht, dass du dafür das nötige Zubehör hättest.«
Zähneknirschend setzte ich den Weg zu unserer Zelle fort. »Wir haben unsere Strafe verdient. Wir haben das Mädchen umgebracht.«
»Deine blutigen Fingerabdrücke waren an ihr.«
»Dein Sperma war in ihr.«
»Dafür habe ich bezahlt!«
Seine Worte hallten durch den Gefängnistrakt. Die anderen Insassen starrten uns neugierig an.
Ich senkte die Stimme. »Sie war ohne Schuld.«
»Von deiner frömmlerischen Jesuskacke habe ich für heute die Nase voll.« Er blieb stehen. »Genau genommen sogar für den Rest meines Lebens.«
»Kann schon sein. Aber ich weiß nicht, was du dagegen machen willst.«
Ein Häftling, Riesenzwerg, ging an uns vorbei. Ich wusste nicht, warum man ihn so nannte. Der Spitzname musste ironisch gemeint sein. Er war etwa eins fünfundsechzig groß und klapperdürr. Trotzdem warf er Kirk einen bösen Blick zu.
Kirk starrte zurück. »Hast du was zu sagen?«
Riesenzwerg hob die Hand, ließ uns stehen.
»Das ist doch idiotisch.« Ich wollte weitergehen, aber Kirk ließ mich nicht.
»Du hast sie auch geschlagen, Wayne. Du warst genauso wütend wie ich.«
»Du warst eifersüchtig«, gab ich zurück. »Wegen nichts und wieder nichts.«
»Ich weiß, dass sie dich angefasst hat.«
Ich schüttelte den Kopf, wollte mich wieder in Bewegung setzen.
Er hielt mich zurück. »Sag mir einfach die Wahrheit. Sie hat dich angefasst.«
»Warum ist das jetzt noch wichtig?«
Er warf die Hände in die Luft. »Es ist wichtig!«
Kirk ließ einfach nicht locker. Zähneknirschend wappnete ich mich.Ich würde endlich etwas sagen, was noch nie ausgesprochen worden war. »Du warst schon immer verdammt eifersüchtig auf mich.« Noch während des Sprechens wurde mir klar, wie recht ich damit hatte. »Du ziehst immer eine gigantische Show ab. Jeder soll wissen, dass du der Dominante bist, der mit der tollen Ausstattung, der alles im Griff hat. Aber jetzt weiß ich, wie es in Wirklichkeit ist, Kirk. Ich sehe es ganz klar vor mir.«
»Was siehst du?«
»Dass du mich mehr brauchst als ich dich.«
»Du redest Scheiße«, murmelte er. »Ein verdammter Parasit – mehr wirst du nie sein.«
»Du meinst, du könntest inzwischen der Boss von IBM sein? Dummgelaber. Du wärst genau da, wo du jetzt bist. Nur allein.«
»Halt’s Maul!«
»Wer hat dir bei dem College-Zulassungstest geholfen?«, fragte ich. »Wer hat dafür gesorgt, dass du die Spanischprüfung bestanden und deinen Abschluss bekommen hast?«
»Ich kann Spanisch.«
»¿Cómo se llama usted?«
Er wirkte nervös. »Ich sagte, halt’s Maul.«
»Wer hat uns den Job
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