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Der Piratenfuerst

Der Piratenfuerst

Titel: Der Piratenfuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Allday!« befahl Bolitho. Er schob seine Gedanken mit fast physischer Anstrengung beiseite. »Drei Wachen zu je zwei Stunden.« Er setzte nochmals an. »Posten aufstellen und scharf aufpassen!«
    Ein Mann sprang über das Dollbord und watete durch das flache Wasser, den Festmacher wie ein Zuggeschirr über der müden Schulter. Das Boot stieß auf harten Sand. Durch die Strömung und die plötzlich Gewichtsverlagerung beim Hinausklettern der Männer neigte es sich wie trunken zur Seite. Bolitho hörte Soames die erste Wache einteilen. Ob der wohl Bedenken gehabt hätte, wenn er das Enterkommando befehligt hätte? Vermutlich nicht. Soames hätte getan, was er für richtig hielt, ungeachtet der hilflosen Sklaven, und hätte die Brigantine versenkt oder Feuer an das Pulvermagazin gelegt. Bei diesem Klima wäre die Brigantine innerhalb weniger Minuten ausgebrannt, die Sklavenfänger wären hilflos gewesen und hätten später leicht überwältigt werden können. Dagegen hatte er, Bolitho, überhaupt nichts erreicht und obendrein fast ein Drittel seiner Mannschaft verloren, weil er die Sklaven nicht hatte opfern wollen.
    Allday kam mit einer Wasserflasche. »Hab das Boot gesichert, Captain.« Er gähnte gewaltig. »Ich hoffe bloß, wir müssen nicht zu weit landeinwärts.« Und nach einer kleinen Pause: »Lassen Sie sich nicht unterkriegen, es ist eben nicht zu ändern. Wir haben doch schon viel Schlimmeres gesehen und erlebt. Ich weiß, manche unserer Leute sind weggelaufen, statt zu kämpfen, als sie am nötigsten gebraucht wurden. Aber es sind eben andere Zeiten – viele denken das jedenfalls.«
    Bolitho sah ihn stumpf an, konnte aber seine Gesichtszüge nicht erkennen. »Wie meinen Sie das?«
    Allday hob die Schultern. »Sie sehen nicht ein, daß sie sich wegen ein paar Sklaven totschlagen lassen sollen – oder wegen eines Schiffes, von dem sie nichts wissen. An Bord der alten Phalarope war das anders, verstehen Sie? Da hatten sie eine Flagge, der man folgen konnte, einen Feind, den man sah.« Bolitho lehnte sich gegen einen Baum, schloß die Augen und lauschte, wie der Dschungel zur Nacht lebendig wurde, quiekend, brüllend, grunzend, raschelnd. »Sie meinen, es war ihnen egal?« fragte er.
    Allday grinste. »Wenn wir einen richtigen Krieg hätten, so einen wie den letzten, dann würden wir verdammt schnell ganze Kerls aus ihnen machen.«
    »Das heißt also, wenn sie nicht persönlich bedroht sind, fällt es ihnen gar nicht ein, für diese Unglücklichen zu kämpfen?«
    Bolitho öffnete die Augen wieder und studierte die Sterne. »Ich fürchte, bevor die Reise zu Ende ist, werden einige von ihnen anders darüber denken.«
    Aber Allday war schon eingeschlafen. Das Entermesser lag über seiner Brust wie die Grabbeigabe eines Ritters.
    Leise erhob sich Bolitho und ging zum Boot, um nachzusehen, wie der Verwundete versorgt war. Der Widerschein der Sterne glitzerte auf dem trägen Wasser. Zu seinem eigenen Erstaunen war er schon nicht mehr ganz so verzweifelt.
    Er blickte zum Waldrand zurück, aber Allday war in der Dunkelheit nicht mehr zu erkennen. Es war ihm mit Allday schon oft so ergangen: Der Mann schien, absichtlich oder zufällig, in seiner offenen, einfachen Art jedesmal den springenden Punkt zu treffen. Nicht daß er irgendeine Patentlösung anbot, aber man gewann Abstand, und die Dinge rückten in ihre richtige Perspektive.
    Der Verwundete lag in tiefem Schlaf. Kalkweiß hob sich sein Verband von den schwarzen Bootsplanken ab. Keen fuhr hoch, als Bolitho hinzutrat. »Entschuldigung, Sir. Ich habe Sie nicht kommen sehen.«
    »Bleiben Sie ruhig liegen, Mr. Keen«, erwiderte Bolitho.
    »Wir haben es ja jetzt gemütlich für die Nacht.«
    Als Bolitho gegangen war, trat Fowlar, der sich in der See Gesicht und Hände gewaschen hatte, zum Boot und sagte bewundernd: »Das ist 'n Mann, was? Der jammert und jault nicht, wenn's mal schiefgeht.«
    Keen nickte. »Ich weiß. Eines Tages werde ich hoffentlich so wie er.«
    Fowlar lachte laut auf, und vom Wald her antworteten die Schreie aufgestörter Vögel. »Ach du lieber Gott, Mr. Keen, da würde er sich aber geschmeichelt fühlen, wenn er das wüßte!«
    Keen wandte sich wieder dem Verwundeten zu. Leise, aber heftig murmelte er: »Tr otzdem ist es so – basta!«
    Im bleichen Glanz des Morgens flössen Himmel und Meer zu milchigem Dunst zusammen. Schwerfällig schob sich das überladene Langboot aus den Bäumen und kleinen Stranden heraus, die den Meeresarm zu beiden

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