Der Putzteufel geht um
Weibsbild hat sie zerbrochen, und dann fiel ihr nichts Besseres ein, als zu sagen, daß sie froh sei, daß es nichts Teures war – nicht sein konnte, weil der Künstler ja noch lebt.«
»Etwas Ähnliches hat sie auch gesagt, als sie bei uns einen Spiegel kaputtmachte«, erwiderte ich. »Aber selbst Jonas, dem er gehörte, hätte sie deshalb nicht von der Leiter geschubst. Es hätte ihn vielleicht in den Fingern gejuckt, aber letzten Endes hätte er sich doch zusammengenommen.«
»Wagen Sie nicht, meine Schwester zu kritisieren!« Vienna zog den Schal stramm. »Sie begreifen doch gar nicht, was in ihr vorgeht. Das kann nur ich. Nie im Leben hätte ich zugelassen, daß sie die Tat gesteht. Sie hätte das, was danach kommt, nicht ausgehalten. Einen solchen Preis zu zahlen, kann man ihr nicht zumuten.« Vienna machte einen Schritt auf mich zu. »Es passierte alles nur wenige Minuten vor dem Treffen der Salongesellschaft. Irgendwer klingelte bereits an der Tür, als Madrid mir berichtete, was vorgefallen war. Ich habe die größten Bruchstücke aufgesammelt, und Madrid hat sie im Mülleimer verstaut. Für die kleineren Stückchen war keine Zeit mehr. Ich habe sie auf das Kehrblech gefegt und mit der Asche aus dem Kamin vermengt. Danach bin ich an die Haustür gegangen.« »Die Frau, die nichts aus der Fassung bringt! Wieso ist mir nicht eingefallen, daß Mrs. Large kein volles Kehrblech auf dem Boden zurückläßt, ehe sie sich an die Bücherregale macht? Der VPFVCF würde so etwas niemals gutheißen. Und Sie konnten die Sache nicht mehr bereinigen, nachdem die Gäste da waren, denn dann hätte man Sie vielleicht dabei erwischt.« »Darum ging es nicht!« Vienna betrachtete mich mit immer größer werdender Verachtung. »Ich hatte keine Zeit, weil ich Madrid beruhigen mußte. Die Arme war restlos aufgelöst.« »Ich finde, sie hat sich ganz gut gehalten.« Ich mied es, zum Garderobenständer hinzusehen, denn ich hatte mir ausgerechnet, daß ich ihm einen Stoß versetzen würde, wenn – falls – Vienna gerade mal nicht aufpaßte.
»Sie war immerhin so beieinander, daß sie mir später beide weismachen konnten, Madrid habe wegen Jessicas Todestag gelitten. Und da ich genauso dämlich bin, wie Sie denken« – ich versuchte ein munteres Lachen –, »ist mir nicht aufgefallen, daß Ihre Geschichte gar nicht stimmen konnte, denn zu einem früheren Zeitpunkt hatte Madrid mir erzählt, daß Jessica an ihrem dritten Geburtstag gestorben sei. Und ihr Geburtsstein der Stein für den Monat Dezember ist.«
»Ein bißchen zu spät, um schlau zu werden, nicht wahr, Ellie?« Viennas Lachen klappte weitaus besser als meines. »Kehren Sie lieber vor Ihrer eigenen Tür!« Ich griff mit der Hand – unauffällig wie ich fand – nach dem Garderobenständer. »Zugegeben, Sie haben Ihre Rolle ganz ausgezeichnet gespielt, als Sie mich mit ins Arbeitszimmer schleppten, um sicherzustellen, daß man Mrs. Larges Leiche entdeckte, während die anderen Mitglieder der Salongesellschaft noch im Haus waren. Und Sie hatten beide Glück, daß außer mir jeder Gast das Wohnzimmer irgendwann einmal verlassen hat und somit verdächtig wurde. Aber eigentlich hat das doch gar keine Rolle gespielt. Wer von der Polizei hat denn schon vermutet, daß man Mrs. Large ermordet hatte?« Ich schaute auf die schwarze Haarschleife. Das kleine Zeichen der Trauer schien mittlerweile fester Bestandteil meiner Hand geworden zu sein. »Die Schleife habe ich Trina aus den Haaren gerissen, als wir miteinander kämpften. Dabei ist mir wohl auch der Schal heruntergefallen. Später muß ich wohl beides zusammen gegriffen und in die Manteltasche gestopft haben.« Vienna führte jetzt so etwas wie eine nachdenkliche Plauderei. »Sicher, es war kein perfekter Mord. Ich mußte natürlich einiges improvisieren. Aber Trina hatte es nicht besser verdient. Als sie nach der Beerdigung zum Putzen kam – es war gleich das erste Mal nach ihrem Urlaub –, stellte sie fest, daß die Büste im Arbeitszimmer fehlte. Ihr entging ja nie etwas. Ich erklärte ihr, ich hätte sie weggeschafft, da ihre Gegenwart Madrids Gemüt letztlich nur belaste. Leider entdeckte sie, daß ich gelogen hatte, denn sie fand ein Stückchen von der Pfote, das unter das Bücherregal gerollt sein mußte.«
Als ich Vienna ansah, fragte ich mich, ob die Dinge anders gelaufen wären, wenn Mrs. Nettle Trina richtig zugehört und sich erkundigt hätte, was mit dem Ausspruch »Wer hat, dem wird gegeben« gemeint gewesen
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