Der Putzteufel geht um
sei. Aber solche Überlegungen nutzten jetzt weder Trina noch ihren beiden anderen toten Kolleginnen aus dem VPFVCF. Im Moment war es einfach wichtiger, zu sehen, daß ich selbst ungeschoren davonkam, was ich mir übrigens hätte sparen können, wenn Freddy wie vereinbart erschienen wäre, um mich zu retten. Ich war gerade dabei, deshalb in Zorn zu geraten, als Vienna sich meiner Unaufmerksamkeit bediente, mir den Schal über den Kopf warf und mir einen Stoß versetzte, der mich hinterrücks an die Wand neben der Treppe schleuderte.
Ich hörte noch, wie mein Kopf in tausend Stücke zerbarst, genau wie Jessicas Büste und Mrs. Malloys Porzellanpudel, ehe mich die Dunkelheit wie eine Decke umfing, die man über den Vogelkäfig wirft. »Ich Dumme, Dumme!« murmelte ich noch, bevor ich auf einer großen Welle der Leere ins Nichts abtauchte. Als nächstes registrierte ich einen widerlichen Geruch, der sich mir auf die Lunge legte. Ich dämmerte ihm entgegen und suchte dumpf zu erahnen, was um alles in der Welt das sein konnte. Irgendwie wußte ich, daß es besser wäre, dahinterzukommen, aber es erforderte eine Riesenanstrengung. Meine Schläfen klopften, meine Augen brannten, und ich lag zusammengerollt und verkrampft auf dem Fußboden. Es war nicht der Fußboden in der Eingangshalle, soviel wurde mir nach einer Weile bewußt. Ich war offenbar in der Speisekammer von Tall Chimneys gelandet. Oder träumte ich nur wieder, daß ich dort eingeschlossen war? Ich klapperte ein paarmal kräftig mit den Augenlidern, um richtig wach zu werden und festzustellen, daß ich mich in meinem Bett befand, wo Ben gleich kommen, sich über mich beugen und mir ein Löffelchen Hühnerbrühe einflößen würde. Von wegen. Die beißenden Dämpfe, die mir in die Nase stiegen, belehrten mich eines Besseren. Kein Ben. Keine Hühnerbrühe. Ich krabbelte in eine aufrechte Position, legte eine Hand über Mund und Nase und versuchte die Tür zu öffnen. Als ich damit scheiterte, beschloß ich, erst einmal die nächste Umgebung zu erkunden. Mit Hilfe des schwachen Lichtscheins, der durch das winzige Fensterchen in den Raum gefiltert wurde, konnte ich den Rand eines Regalbordes erkennen. Die Dosen und Packungen, die darauf standen, nahm ich nur schemenhaft wahr. Doch dann sah ich einen Eimer, der sich einen guten Meter über meinem Kopf befand. Von daher stammte der beißende Geruch, den ich mittlerweile identifizieren konnte. Es war eine Mischung aus Bleichmittel und Ammoniak. Abigails Buch hatte einen Absatz enthalten, der davor warnte, in der Nähe eines solchen Gemischs zu arbeiten – vor allem, wenn man sich in geschlossenen Räumen aufhielt. Die Dämpfe waren nämlich giftig. Tödlich giftig.
Wie durch ein Zauberwort wurde mein Verstand wieder klar. Es ist doch erstaunlich, was der Selbsterhaltungstrieb so alles vermag. Jetzt war ich sogar in der Lage, meine Panik zu bewältigen und mich zum Nachdenken zu zwingen. Es mußte einen Weg nach draußen geben. Falls Vienna den Schlüssel im Schloß hatte stecken lassen, dann konnte ich ihn vielleicht mit einem Splitter, den ich aus einem der Holzborde brechen würde, hinausstoßen und auf einem Stück Papier, das ich unter der Tür hindurchschieben würde, zu mir ziehen. Ich raffte mein Kleid hoch, preßte mir den Rockstoff fest auf Mund und Nase, kniete nieder und spähte durch das Schlüsselloch. Es war leer. Vienna war doch schlauer, als ich dachte. Dann mußte es eben eine andere Lösung geben. Ich sagte mir, daß ich ja immerhin den Vorteil hatte, vorher schon einmal hier eingeschlossen gewesen zu sein. Beim zweiten Mal ist oft alles gar nicht mehr so schlimm. Danach fiel mir ein, daß Vienna, als sie mich beim ersten Mal rettete, erwähnt hatte, daß sie wegen der klemmenden Speisekammertür schon früher etwas hatte unternehmen wollen. Daraus konnte ich doch wohl schließen, daß das Problem bereits vor ihrem Einzug existiert hatte. Und in dem Fall hätte doch die Frau in Schwarz, die zuvor hier gewohnt hatte, dasselbe Problem gehabt, oder nicht? Die Frau in Schwarz war zwar exzentrisch gewesen, aber exzentrisch ist nicht gleich dumm. Wenn sie sich je in der Speisekammer eingeschlossen hatte, wäre es dann nicht wahrscheinlich, daß sie von da an hier drinnen einen Ersatzschlüssel aufbewahrte? Meine Großmutter hatte in ihrem Haus beispielsweise auf jeder Tür einen Ersatzschlüssel liegen gehabt.
Meine Hände begannen zu zittern. Als ich anfing, auf dem Türrahmen herumzutasten, brach mir der
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