Der Raub des Wikingers
Männer am Tisch beteten ihre Exotik, eine Mischung aus orientalischen und nordischen Zügen, an. Sie war schlank und zierlich und dabei sehr weiblich ... alles das, was Tyra nicht war. Adam betete sicher auch sie an, dachte Tyra.
Sie blickte ihn an, um zu sehen, ob das stimmte, aber seine Augen waren bereits zu einer jungen Wikingerin gewandert, die gerade die Laute stimmte. Während Tyras Krieger eine derbere Unterhaltung eher schätzten, war Adam von der Musik beeindruckt. Wehmütig neigte er den Kopf und hörte zu.
Als er sie schließlich wieder ansah, fragte Tyra: »Dir gefällt die Musik der hübschen Dame?«
Er zuckte die Achseln. »Meine Schwester Adela spielte Laute. Das erinnert mich an eine Zeit...« Er zuckte die Achseln. »Es weckt Erinnerungen«, seufzte er.
»Nun, und was denkst du nun von meinen Schwestern?«
Amüsiert sah er sie an, bemerkte bestimmt ihre Männerkleider und ihre Größe.
Tyra hob das Kinn. Sie würde sich nicht dem Urteil eines Mannes unterwerfen. Sie war so, wie sie war!
Adam ergriff einen ihrer Zöpfe und zog sie näher heran. »Deine Schwestern sind sehr schön, jede auf ihre eigene Weise.«
Tyra blinzelte und versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen. Was war los mit ihr? Natürlich fand er ihre Schwestern schön. Das tat jeder. Warum hatte sie überhaupt gefragt? Warum hatte sie den Vergleich herausgefordert?
Er zog stärker an ihrem Zopf, bis sie ihm so nahe war, dass sie seine Seife und den Met in seinem Atem riechen konnte.
»Wenn du fragst, welche ich wählen würde, damit sie in der Nacht das Bett mit mir teilt... wenn ich unser Abkommen revidieren könnte ...«
Sie wollte protestieren und ihm sagen, dass sie das ganz und gar nicht gemeint hatte, aber es war so. Sie hatte es so gemeint, mochten die Götter Mitleid mit ihr haben.
Seine Lippen streiften ihre mit einem leichten Kuss, der sie erbeben ließ. Der Kuss war wie Feuer auf ihren Lippen, süßes Feuer.
Dann beendete er seinen Satz.
»... ich würde immer noch dich aussuchen.«
Zwei Stunden später ging Adams Zimmertür auf, ohne dass jemand geklopft hätte. Erst dachte er, Alrek und seine Bande kämen zurück, um ihm einen weiteren unerwünschten Gefallen zu tun, der stets im Desaster endete, so wie das Waschen seiner Hose, die er als Hundespielzeug wiederbekommen hatte. Aber nein, diesmal war es Tyra.
Er sah von dem Buch hoch, das er im Kerzenlicht las, ein Exemplar von den Aufzeichnungen des Hippokrates über Kop f wunden und wie man sie durch Trepanation behandeln könnte.
»Du hast mich geküsst«, begann Tyra. Sie trug eine Art Nachthemd, das wohl mal einer ihrer Schwestern gehört hatte, denn die Ärmel waren zu kurz, und es endete weit über den Knöcheln. Das blonde Haar hing ihr wild um das wütende Gesicht.
Sie war bildschön.
Nein, nicht schön.
Anders?
Sinnlich?
Beeindruckend?
Ihm fiel kein passendes Wort ein, um sie zu beschreiben. Sie war sicher nicht im üblichen Sinne hübsch, aber für ihn war sie höchst attraktiv.
Auf ihre Anklage wegen des Kusses erwiderte er nur lässig: »Ja, das habe ich.«
»Tu das nicht wieder.«
»Warum nicht?« »Weil das ... weil das etwas ist, dem ich nicht zugestimmt habe.«
Er tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Lippen, um nicht zu lächeln. »Ich halte Küssen für eine gute Übung, ehe man nackt im Bett zusammen kuschelt, findest du nicht?«
»Oh ... oh ... oh«, stotterte sie.
Er könnte wetten, dass sie nur selten, wenn überhaupt, vor ihren Männern stotterte. Also war er etwas Anderes für sie. Das könnte ein gutes Zeichen sein. So wie ihre Andersartigkeit für ihn ein gutes Zeichen war.
»Möchtest du es noch einmal machen? Küssen üben, meine ich?«, bot er freundlich an, als wollte er ihr einen großen Gefallen tun und nicht sich selber. Diese Frau hatte bei aller Männlichkeit die küssenswertesten Lippen der Welt. »Das war auch kaum ein Kuss, der zählt, eher ein Streifen der Lippen. Ein echter Kuss zwischen Mann und Frau dauert viel, viel länger.«
»Wie viel länger?« Die hastige Frage tat ihr sofort Leid.
Er machte eine vage Handbewegung. »Oh, fünf Minuten vielleicht. Mit den Zungen natürlich.«
Ihr Mund öffnete sich, und ihre Augen wurden groß, ehe sie keuchte: »Fünf Minuten? Zungen ? Nimmst du mich auf den Arm?«
»Nein«, erwiderte er. Dann: »Vielleicht ein bisschen.«
»Dummkopf«, zischte sie und rannte aus seinem Zimmer.
Adam las weiter, aber jetzt lächelte er.
Kurz darauf verkündete
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