Der Rubin im Rauch
schmutzigen Rinnstein kniete.
„Sally, Sally -- ich hab 'nen Schuß gehört -- bist du verletzt? Was
hat er getan?"
„Ich hab ihn umgebracht - ich hab ihn umgebracht -- ich war's - "
Und dann schüttelte sie wieder ein Schluchzen. Rosa hielt sie noch
fester und streichelte ihr Haar.
„Stimmt das -- hast du -- stimmt das wirklich?" fragte sie und
schaute über Sallys Schulter.
„Ich hab ihn erschossen, Rosa", sagte Sally, das Gesicht an Rosas
Hals. „Weil er mich -- weil er mich töten wollte und... er hatte ein
Messer. Er hat so viele Menschen umgebracht. Er hat meinen -- ach,
Rosa, ich kann ihn nicht Hauptmann Lockhart nennen! Ich hab ihn
geliebt -- er war mein Vater, trotz -- mein Vater..."
Das ganze Elend übermannte sie jetzt, so daß Rosa auch anfing zu
weinen. Sie konnte nicht sprechen. Aber schließlich zog das ältere
Mädchen sie sanft hoch.
„Hör zu, Sally", sagte sie, „wir müssen einen Polizisten finden. Das
müssen wir -- schüttel nicht den Kopf -- das müssen wir unbedingt. Du
brauchst dir keine Sorgen zu machen. Es ist alles zu Ende. Aber wir
müssen jetzt zur Polizei gehen. Ich weiß, was passiert ist... ich kann
als Zeuge aussagen. Du wirst keine Schwierigkeiten bekommen."
„Ich hab nicht gewußt, daß du da bist", sagte Sally mit schwacher
Stimme, stand auf und schaute auf den Schmutz auf ihrem Umhang
und auf ihrem Rock.
„Wie hab ich dich bloß so weggehen lassen können? Ich bin in 'ne
andre Droschke gestiegen und dir gefolgt. Gott sei Dank war da gleich
eine. Und als ich den Schuß hörte - "
Sie schüttelte den Kopf; und dann hörten sie die Trillerpfeife eines
Polizisten. Sally schaute sie an.
„Das kommt von der Droschke. Sie müssen ihn gefunden haben.
Komm..."
DER GLOCKENTURM
SELTSAME VORKOMMNISSE AN DEN EAST INDIA
DOCKS
DAS GEHEIMNIS DER LEEREN DROSCHKE EIN SCHUSS IN
DER NACHT
Ein unerklärlicher und geheimnisvoller Zwischenfall ereignete sich
in den frühen Morgenstunden des letzten Dienstags in der Nähe der
Hast India Docks.
Schutzmann Jonas Torrance, ein erfahrener und verläßlicher
Beamter, war in der Gegend der Docks auf Streife, als er etwa um
zwanzig nach zwei Uhr einen Schuß hörte.
Er suchte sofort die ganze Gegend ab und hatte innerhalb von fünf
Minuten eine vierrädrige Droschke gefunden, die in der Hast India
Dock Wall Road offensichtlich im Stich gelassen worden war. Es war
keine Spur von Kutscher oder Pferd zu sehen, aber als der
Schutzmann in die Droschke schaute, entdeckte er die Spuren eines
verzweifelten Kampfes. Auf dem Boden und auf dem Sitz war eine
beträchtliche Menge Blut. P. C. Torrance schätzte es auf etwa
eineinhalb Liter, wenn nicht mehr. Es ist klar, daß keiner einen so
großen Blutverlust in so kurzer Zeit überleben könnte; und doch
konnte das Opfer dieses brutalen Angriffs nicht gefunden werden.
Eine gründlichere Untersuchung der Droschke brachte ein Messer
zum Vorschein, das üblicherweise von Seeleuten benutzt wird, und
zwar wurde es unter einem der Sitze gefunden. Die Klinge war
ungeheuer scharf, aber sie war sauber, kein Blut klebte daran.
Der Schutzmann holte Hilfe, und es wurden die Straßen in der
Nachbarschaft abgesucht, wobei man aber nichts entdecken konnte.
Der Fall ist immer noch rätselhaft.
„Wir haben versucht, es ihm zu sagen", sagte Sally. „Oder nicht,
Rosa?"
„Wir haben's ihm viermal gesagt, und er hat nicht zuhören wollen.
Kein einziges Wort ist in seinen Schädel eingedrungen. Er hat uns
schließlich rausgeworfen und gesagt, daß wir ihn in der Ausübung
seines Dienstes behindern würden."
„Er hat sich einfach geweigert, uns zu glauben."
„Er ist ein erfahrener und verläßlicher Beamter", sagte Frederick.
„So heißt es hier. Ich finde, er hatte absolut das Recht, euch
wegzuschicken, und ich weiß gar nicht, warum ihr euch beklagt.
Wissen Sie's, Bedwell?"
Sie saßen um den Tisch in der Burton Street. Es war drei Tage
danach; Pfarrer Bedwell war von Oxford gekommen, um zu erfahren,
was geschehen war, und hatte die Einladung zum Abendessen
angenommen. Rosa war da, weil das Stück, in dem sie auftrat, vom
Spielplan gestrichen worden war: der Geldgeber hatte die Nerven
verloren, bevor er sein Geld wieder eingetrieben hatte, und Rosa war
folglich arbeitslos. Sally wußte, daß die Finanzen in der Burton Street
dadurch sehr in Unordnung geraten würden, sagte aber nichts. Mr.
Bedwell überlegte, ehe er auf Fredericks Frage antwortete.
„Mir scheint, daß
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