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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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seine Angst vor dem Publikum war letztlich größer als seine auch nicht unerhebliche Furcht vor der schrecklichen Florence Weber. Jetzt leitete er nominell die Biller-Mine. Faktisch jedoch war Florence die Chefin.
    »Ich wünschte nur, sie würde ihre Geschäfte nicht führen wie einen Krieg«, seufzte Tim. »Ich verstehe ja, dass sie ernst genommen werden will, aber ... mein Gott, andere haben da auch ihre Probleme.«
    Tim sprach aus Erfahrung. Am Anfang seiner Tätigkeit als Geschäftsführer hatte mancher Zulieferer oder Kunde versucht, seine Behinderung auszunutzen, um minderwertige Ware anzuliefern oder unbegründete Reklamationen vorzubringen. Schließlich nahm man an, dass Tim die Lieferungen kaum ausreichend überwachen konnte. Tim hatte allerdings seine Augen und Ohren auch außerhalb des Büros. Sein Stellvertreter Matt Gawain sah genau hin, und Roly O’Brien unterhielt ausgezeichnete Kontakte zu den Bergleuten. Er arbeitete über Tage mit, wenn Tim ihn nicht brauchte, und war dann abends oft genauso mit Steinstaub verschmutzt wie die Kumpels. Der Dreck machte Roly nichts aus, doch in eine Mine einfahren würde er nie wieder, seit er damals gemeinsam mit Tim zwei Tage lang verschüttet gewesen war.
    Inzwischen war Tim Lambert als Chef seiner Mine hoch geachtet, und niemand machte mehr den Versuch, ihn zu betrügen. Florence Biller ging das sicher ähnlich; sie hätte ihren Frieden mit all ihren männlichen Konkurrenten machen können. Aber Florence kämpfte mit unverminderter Energie weiter. Sie wollte Biller nicht nur zur führenden Mine von Greymouth machen, sondern möglichst die ganze Westküste beherrschen, wenn nicht sogar den Bergbau des ganzen Landes.
    »Gibt es irgendwas zu essen?«, fragte Tim seine Frau. So langsam regte sich sein Appetit.
    Elaine nickte. »Im Ofen. Es dauert noch ein bisschen. Und ich ... ich wollte vorher noch was mit dir besprechen.«
    Tim bemerkte, dass ihr Blick Lilian streifte. Anscheinend ging es um sie.
    Elaine sprach das Mädchen an, als es eben das Klavier schloss.
    »Das war sehr schön, Lily. Wir sind alle ganz ergriffen von Annabells Schicksal. Ich kann jetzt unmöglich den Tisch decken. Würdest du das wohl für uns tun, Lily? Und Rube hilft dir dabei?«
    »Der lässt doch nur wieder die Teller fallen!«, schimpfte Lilian, verzog sich dann aber brav ins Esszimmer.
    Gleich danach hörten sie Scherben klirren. Elaine verdrehte die Augen. Tim lachte nachsichtig.
    »Für Hausarbeit hat sie keine besondere Begabung«, bemerkte er. »Wir sollten ihr lieber die Leitung der Mine überlassen.«
    Elaine lächelte. »Oder wir sorgen für eine ›künstlerisch-kreative Mädchenbildung‹.«
    »Für was?«, fragte Tim verwirrt.
    Elaine zog einen Brief aus den Falten ihres Hauskleids.
    »Hier, der ist heute gekommen. Von Grandma Gwyn. Sie ist ziemlich durcheinander. William und Kura wollen ihr Gloria wegnehmen.«
    »Auf einmal?«, erkundigte Tim sich mäßig interessiert. »Bisher waren sie doch nur an Kuras Karriere interessiert. Und jetzt machen sie plötzlich in Familie?«
    »Das nicht gerade«, meinte Elaine. »Sie denken wohl eher an ein Internat. Weil Grandma Gwyn doch Glorias ›künstlerisch-kreative Seite‹ verkümmern lässt.«
    Tim lachte. Er hatte den Ärger im Büro nun wirklich verdaut, und Elaine freute sich an seinem von Lachfalten durchzogenen, noch immer lausbubenhaften Gesicht. »Da werden sie nicht ganz Unrecht haben. Nichts gegen Kiward Station und deine Großeltern, aber es ist nicht gerade ein Hort der Kunst und Kultur.«
    Elaine zuckte die Schultern. »Ich hatte nicht den Eindruck, als ob Gloria da viel vermisst. Die Kleine schien mir ganz glücklich. Allerdings ein wenig schüchtern. Sie brauchte sogar einige Zeit, um mit Lily warm zu werden. Insofern kann ich Grandma Gwyn schon verstehen. Sie sorgt sich, das Kind allein auf die Reise zu schicken.«
    »Und?«, fragte Tim. »Du hast doch was auf dem Herzen, Lainie. Was wolltest du mit mir besprechen?«
    Elaine reichte ihm Gwyneiras Brief. »Grandma Gwyn fragt, ob wir Lilian nicht vielleicht mitschicken möchten. Es ist wohl ein renommiertes Internat. Und Gloria würde es über den ärgsten Schmerz hinweghelfen.«
    Tim studierte den Brief sorgfältig. »Cambridge ist immer eine gute Adresse«, meinte er. »Aber ist sie nicht ein bisschen jung? Mal ganz abgesehen davon, dass solche Internate ein Vermögen kosten.«
    »Die McKenzies würden die Kosten tragen«, erklärte Elaine. »Wenn es bloß nicht so

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