Der Sandner und die Ringgeister
Spielzeug, eine zerschlissene Stoffpuppe.
Der Sandner kann sich nicht rühren.
»Warum haben Sie nicht auf den Psychologen gewartet. Herrgott, die Frau ist tot, Sandner!«, ruft der Wenzel ihm zu. Er hastet an ihm vorbei und lehnt sich über das Brückengeländer.
Der Fendt ist auf den Knien und greint hemmungslos.
Außer sich ist der Hauptkommissar. Als könnte er sich von oben zusehen, runterschauen, auf die tropfnasse, gebeugte Sandnergestalt. Taugt zur Vogelscheuche. Ein kurzer Moment, bevor die Lähmung verschwindet. Er setzt das Kind behutsam ab. Seltsam, dass es nicht weint. Ganz still, das Gesicht vergraben im Elefantenplüsch. Die kleinen Arme über dem Tier gekreuzt, die Fingerchen eingekrallt. Das wird ihm niemand wegnehmen!
Eine herbeigeeilte Polizistin kniet sich zu ihm, murmelt ein paar Worte, streicht ihm über den Kopf. Schließlich nimmt sie ihn hoch und verschwindet aus Sandners Blickfeld.
Dessen Hände zittern. Der ganze Mann vibriert, als hinge er an der Stromleitung.
Den Wenzel reißt er an der Schulter herum und packt ihn am Kragen, drückt ihn ans Geländer.
»I schmeiß di nach, du!«
Ein lebender Rucksack zerrt an ihm. Der Hartinger. Es haut ihn von den Beinen. Auf dem Burschen kommt er zum Liegen. Zappelnder Käfer mit acht Gliedmaßen. Er schlägt um sich, befreit sich aus dem Klammergriff.
»Lass los, is ja gut«, ächzt er.
Die beiden rappeln sich schnaufend hoch.
Der Wenzel zupft sich hektisch am Kragen. Die Brille liegt zertrampelt vor ihm. Entsetzen im Blick. Als stünde ihm ein tollwütiges Viech gegenüber. Der Eindruck täuscht nicht. Der Sandner könnte ihn vom Fleck weg zerreißen.
»Das hat ein Nachspiel!«, schreit der Staatsanwalt hysterisch.
»Komm«, sagt der Hauptkommissar zum Kollegen. Die beiden wanken bedeppert zum Auto.
Der Hartinger schmeißt sein Handy auf den Teer.
»Ich hab ihnen doch sagen müssen, wo wir sind.«
Tränen hat er in den Augen.
»Freilich, ned dei Schuld«, schnaubt der Sandner.
Es wimmelt von Uniformierten. Immer mehr Streifenwagen.
»Sandner!«, plärrt ihm der Staatsanwalt nach. »Hierbleiben!«
Er hätte zupacken können, vielleicht hätte er sie erwischt, wenn er sich nicht umgedreht hätte, sagt er sich. Plötzlich taucht das Bild vom Dennis in ihm auf, der Friedhof, und dann der Carport, umgeben von rot-weißem Plastikband. Steig einfach ins Auto, Sandner.
»Ich geb dem Kare und der Sandra Bescheid«, sagt der Hartinger und wischt sich über das Gesicht. Entschlossen schaut das aus. Noch immer steht er vor dem BMW. Er macht eine Handbewegung, als möchte er den Sandner wegscheuchen.
Der nickt ihm zu, lässt den Wagen an und macht sich davon. Nicht still und nicht heimlich. Niemand mag ihm in den Weg springen. Das letzte Mosaiksteinchen ist schneller eingesammelt, als du Muh sagen kannst. Keiner hat eben aus seiner Haut schlüpfen können, wie aus einem abgetragenen Mantel.
Handschellen sind essenziell. Nicht nur, falls du deiner Neigung als Fetischist frönst, sondern als symbolischer Akt. Dass sie der Frau Giese Fesseln angelegt hat, ist eine Befriedigung sondergleichen für die Wiesner. Fast hat sie gehofft, dass sich die Frau wehrt. Nur ein klein wenig. Na, komm! Die war aber zu verdattert gewesen, als es geklickt hat, um ihre Handgelenke. Endgültigkeit liegt in diesem Geräusch und Schuld. Muss das sein, hat der Blick vom Tarzan gefragt. Ja, das hat sein müssen, auch wenn sie morgen wahrscheinlich wieder frei sein wird. Keine große Sache, strafrechtlich, die Kirchenadvokaten werden’s sich zurechtmauscheln, eine Mücke daraus machen. Alternativ die Giese als Bauernopfer ans Kreuz nageln. Wer den eigenen Schulderlass perfekt zelebriert, kann getrost den Hammer schwingen. Unergründlichkeit ist gleich – Tauchen verboten! Privates Gewässer.
Nicht an morgen denken, den Augenblick auskosten.
Zusammen mit dem Tarzan führt sie die Frau am Arm über den Gang. Der Auerhammer hat den Mund aufgemacht. Ihre Idee wäre es gewesen, hat der Bauunternehmer gesagt. Eingestürzt, das Lügengebäude.
Schaut her, möchte sie den Kindern zurufen, wer euch verkauft statt zu schützen, der muss büßen. Als hätte sie ein Versprechen gegeben, das sie einlöst. Vielleicht hat sich das Versprechen auch in ihr eingenistet. Nichts hat sie gesagt, die Giese, kein Wort. Als hätt der Schnitzer zuletzt vergessen, ihr den Mund einzukerben. Fast hätt die Wiesner gesungen, wie sie zu ihr ins Büro reingeplatzt sind. Dass sie ja gesagt
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