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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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kostete es auch schließlich? Was war denn da droben zu sehen? Besser, ich betrachte die Balkone der Juweliere, der Schneider und Zigarettenhändler ...
    In der Tat, es gab auf diesen Balkonen allerlei: Halbverschleierte Damen drängten sich bereits dort oben Schulter an Schulter, mit bunten Schirmen und großen schwarzen Fächern. Auf der Straße wurde der Verkehrdichter; eine Unmenge von Fuhrwerken war unterwegs, und vor Shepheards Terrasse staute sich das Volk wie ein Bienenschwarm. Hassan stellte sich in den Laden eines ihm befreundeten Kaufmanns, begann seine Früchte zu verzehren und beschloß, das weitere abzuwarten.
    Er erinnerte sich jetzt, daß die Hochzeit einer Khedivialprinzessin mit einem Pascha auf diesen Tag festgesetzt sei.
    Das Gewimmel auf den Straßen verstärkte sich; die Fronten der Häuser und der Hotels längs dem Esbekijegarten bis in die Scharia Abdin hinein strotzten von Fahnen. Die Tarbusche auf den Tausenden erwartungsvoll bewegter Köpfe wimmelten und schwankten wie ein rotes Mohnfeld, das vom Wind bewegt wird. Fliegende Basare bohrten sich mühsame Gassen. Auf ausrangierten Kinderwagen fuhr man Süßigkeiten umher. Das Gitter des Gartens hing voll roter Wimpel und runder Glaslampen. Bourseschreier warfen ihr U in den strömenden Lärm. Im funkelnden Himmel kreisten die Geier. Feiner Staub schwängerte die Sicht.
    Hassan starrte gedankenlos in das Treiben. Er sah mit einigem Vergnügen, wie ein umgedrehter japanischer Lacktisch sich über die Köpfe hob, wie sich kleine Inseln von Blumen auf harten Schädeln vorüberschoben ... Es gab nichts, womit man heute nicht hausierte.
    Nun bildete sich vor dem Pöbel eine Kette von braunen Infanteristen in blauen Uniformen, mit weißen,eng gewickelten Gamaschen an den dürren Beinen. Die Straße ward frei ... Ein lähmendes Windchen von Autorität flutete über das Volk; der Lärm verebbte langsam. Ein kleines nacktes Kind stolperte über die Straße, gerade vor der Terrasse ...
    Ein Schwarm von Vorläufern erschien. Einem ägyptischen Regiment, mit blauweißgoldenen Offizieren auf tänzelnden, langgeschwänzten Pferden, umklungen von der Inbrunst viehhaft plärrender Trompeten, folgten, von Peitschern geführt, die Dudelsackbläser im Röckchen der Egyptian-Army; begleitet von pantherfellgeschmückten Paukern.
    Der Zug entwickelte sich wie eine Raupe, die immer prächtigere Segmente spielen ließ ... Diese schimmernde Raupe kroch langsam vorbei, umhaucht von Hitze und überladen von Gruppen und Bildern ... Mâschallâ! Das war ein prächtiger Zug!
    Sieh da! Die Adjutanten des Khediven, phantastisch uniformiert! Berittene Polizei: eselhaft eitle Berberiner in prallem Khakistoff! Lanciers der ägyptischen Kavallerie: sechsspännige Feldhaubitzen! Ulanen mit grünroten Fähnchen! Seltsame Rhythmik intelligenter Pferdeköpfe, nickender, schnaubender Köpfe ...
    Ha, jetzt noch ein Schub Artillerie ... Aufgepaßt, jetzt kommt das Wunder! Ua! Das Wunder! O Sidi! Du stehst mir auf den Zehen, es schmerzt! Recke den Hals, du träumerisch geblendetes Volk! O ihr Fellachen, o ihr Schweine, blinzelt mit euren entzündeten Augen, euren zerknitterten, unreinen Lidern; denn jetzt kommtdie Offenbarung des höheren Lebens; ja, die sieben Himmel schwanken heran!
    Saïs mit weißen Röckchen, nackten Sohlen und Stäben in den Händen tanzen verzückt durch den Staub; die Kapelle vorn am Garten schmettert die Nationalhymne... O Hymne des trunkenen Volkes, o Tusch des reichen Landes!
    Sie kriecht heran, die Galakutsche, sechsspännig kriecht sie heran, wie ein Berg von Pomp. Die vergoldeten Speichen werfen träge, eitle Blitze. Starrer, roter Damast umhüllt die Fenster. Militär, mit gezogenem Säbel, schreitet ihr feierlich zur Seite. Da drinnen sitzt die Mutter des Khediven mit der Mutter der Braut; man sieht nicht das geringste von ihnen; sie sind abgesondert, sind behütet, wie Idole abgesondert und ganz und gar versteckt. Wer kann sich rühmen, sie zu sehen?... Das Volk träumt.
    Eine zweite Galakutsche folgt, und in dieser sitzt die Braut selber. Ach, wie es da drinnen wohl schimmert!... Ha, eine Braut! So eine schöne, glatte Braut, eine undurchlochte Perle, ein Meisterstück, und ein Schrein von unbezahlbarem Vergnügen...
    Hassan entzückte sich. »Welch eine Pracht!« murmelte er; und sein Freund, der Kaufmann, sagte ebenfalls: »Welch eine Pracht!«
    Es war vorbei. Es war ganz vorbei... Der Kordon löste sich, die Straße wimmelte von festlich gestimmtem

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