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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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besser«, sagte Hassan. »So werde ich warten.« Und er setzte sich auf eine flache, gepolsterte Bank vor einen Spiegel, zu dessen Seiten Kandelaber standen. Ihm gegenüber stand ein Thronsessel mit niedrigem, rotem Baldachin voll goldener Quasten. Über dem Baldachin befand sich ein mächtiges Bild von der Einweihung des Suezkanals.
    Er ließ den Blick an den Wänden wandern. Die früheren Khediven, in lückenloser Reihe, sahen vertraulich aus strotzenden Rahmen auf ihn herab; und sie alle sagten auf einmal wie aus einem Munde:
    »Wir verstehen das! – Wir verstehen das sehr gut!«
    Hassan war außerordentlich erfreut.
    Ganz beiläufig bemerkte er jetzt, daß der Thronsessel nicht leer war, wie er zunächst vermutet, sondern daßein kleiner, dicker, blonder Mann im Tarbusch, in einen prallen schwarzen Gehrock gekleidet, darauf Platz genommen hatte. Er redete auch bereits einige Zeit; es war arabisch mit türkischem Akzent. Dabei nahm er den Tarbusch rhythmisch herab und setzte ihn wieder auf, wobei er den Oberkörper hin und her wiegte. Hassan gab sich augenblicklich Mühe, sich kein Wort entgehen zu lassen. Der Khedive sagte soeben: »Der junge Mann hat Sie beleidigt; da müssen wir helfen ... Ich mache einen Pascha aus Ihnen, wie gefällt Ihnen das?«
    Hassan schüttelte abwehrend die Hände.
    »Euer Hoheit sind sehr freigebig, außerordentlich freigebig. Ich muß Euer Hoheit in betreff des jungen Mannes eine Mitteilung machen; damit, daß ich Pascha werde, ist es nicht getan ...«
    » Eh bien !« sagte der Khedive und zog sein eines kurzes Bein wagerecht auf den Paradestuhl, unter das Knie des anderen, das frei herabpendelte. »Und was wäre das?«
    »Denken sich Euer Hoheit – belieben Sie sich vorzustellen: er macht den Fellachen die Kanäle auf ...«
    »Das tut er einmal«, sagte Abbas Hilmi und wurde dunkelrot im Gesicht. »Daran ist nichts zu ändern. Das ist seines Amtes.«
    Hassan grübelte sich ab. Irgend etwas, fühlte er, fehlte, um die Verleumdung abzurunden. So war sie offenbar noch nicht ganz; sie war in ihrer Art noch dürftig und verfehlte ihren Zweck ... Endlich hatte eres und sagte mit jubelnder, entzückter Stimme: »Ha, ja, er tut es zur verbotenen Zeit. Er nimmt Backschisch!«
    Hier aber lachte der gekrönte Albanese, zuerst leise und glockenrein, dann schallend und dröhnend, dabei hüpfte er auf dem weiten Stuhl umher wie ein Gummiball. Dann, als er Atem schöpfte, sagte er mit noch erstickter Stimme:
    »So? – Tut er das? – Und Sie? – Und ich ?« –
    »Euer Hoheit scherzen!« sagte jetzt Hassan fast respektlos. »Es ist ein Grund, eine Möglichkeit, ihm zu schaden! – Und ich will ihm doch schaden!!« brüllte er auf. »Ich will ihn ruinieren! In Grund und Boden will ich ihn ruinieren!«
    Der Khedive wurde plötzlich ernst; dabei war es, als verblaßten seine Umrisse in der Lehne des Stuhles, verschmölzen langsam mit ihren Mustern. Eine kühle Stimme erwiderte:
    »Das schlägt nicht in mein Ressort, Hassan-Bei-Muharram. Machen Sie das mit dem englischen Agenten aus...« Und siehe da; der Stuhl war leer...
    Hassan stand auf und ging schwer gereizt durch die Säle zurück. Draußen erwartete ihn die Seijide.
    »Madame,« sagte er, »ich war in Ihrem Einfluß. Aber es ist nichts damit.« Und er schnippte mit den Fingern.
    »Möglicherweise,« sagte die Seijide plappernd und sah ihn leer an, »möglicherweise haben Sie es an der nötigen Politik fehlen lassen... Sie ahnen nicht, wiewichtig es ist, politisch vorzugehen... Dies alles ist Politik! – Gut gezimmerte Politik!« Und sie wies nach dem Palast. »Aber Sie sind ein Mensch von wenig Manieren. Zur Hälfte, mein Herr, sind Sie hochadlig, und zur anderen Hälfte der Sohn eines...«
    »Schweigen Sie!« schrie er gepeinigt. »Ich war außerordentlich politisch! – Aber auch er duckt den Nacken vor den Inglîz... Ich gehe jetzt allein zum englischen Agenten.« Er fühlte, wie seine Muskeln schwollen. – Die Seijide blieb zurück und wiegte teils bedauernd, teils weise das verschleierte Haupt; sie wiegte es wie eine Nippfigur...
    Und Hassan ging auf eigene Faust einen Weg durch Ernüchterung, Wut und Mühsal. Die Gegend war ihm bekannt, doch hatten sich die Straßen scheinbar zu einem Labyrinth verschoben, aus dem er weder aus noch ein fand.
    Ein Weib hockte sich unfern von ihm an eine Mauer und sah ihn mit einer blinden, entzündeten Augenhöhle an. Die andere war geschlossen. Er war unverhältnismäßig entsetzt darüber.
    Über

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