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Der Sang der Sakije

Titel: Der Sang der Sakije Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Seidel
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Vorwort
    Die tiefe Sehnsucht nach der Fremde, nach fernen Ländern steckt dem Deutschen im Blut. Sie ist oft auch Antrieb kolonisatorischer und wissenschaftlicher Arbeit in Afrika und Asien geworden, sie findet aber schon in frühen geschichtlichen Zeiten, im kleinsten sozialen Kreis Ausdruck. Sie verlockte Dichter und Schriftsteller in die Ferne und findet ihren Niederschlag in einer Fülle von Werken, die eben aus diesem Sehnen heraus von vielen gelesen werden. Dies trifft besonders für die Gegenwart zu, denn ein Volk, das jahrelang wie durch Mauern von der übrigen Welt abgeschlossen lebte, ist dementsprechend aufnahmefähig für das veränderte Weltbild. Viele haben dies Bild darzustellen versucht, die der uralte Gegensatz Orient – Okzident reizte. Allein, viele sind berufen, wenige auserwählt. Einer der wenigen, die die Gabe inneren Schauens besitzen und sie verbinden mit einer vollendeten Form, die Vision zu gestalten, ist Willy Seidel. Die Sehnsucht nach der großen weiten Welt im allgemeinen wie insbesondere die Liebe zum Orient, dem Schauplatz des »Sang der Sakije«, wurde schon vomVater her in ihm erweckt, der, von Haus aus Chirurg, viel mit Forschungsreisenden, wie beispielsweise Wißmann und Hans Meyer, verkehrte und der selbst in Ägypten ein halbes Jahr lang Ausgrabungen leitete. Auch von der Seite seines Stiefgroßvaters Georg Ebers, der in seinen Romanen das Bild des alten Orients zeichnete, wurde das Interesse Seidels auf Ägypten gelenkt. Noch während er Naturwissenschaften studierte, kam sein erstes Werk, ein biblisch-orientalisches Epos »Absalom«, aus dieser Sphäre. Hier zum erstenmal glüht die heiße Luft des Orients, blühen die Farben auf, singt die blumenreiche Sprache des Morgenlands, die später in vollendeterer Form zum Ausdruck kommen. Zunächst im »Garten des Schuchan«, einem Bande exotischer Novellen, die der Fünfundzwanzigjährige 1912 veröffentlichte, ohne vorher je an den Stätten seiner Träume gewesen zu sein. In der Titelnovelle ist wenig Handlung; trotzdem wird eine Spannung erzeugt, die sich allein durch das parallele Geschehen in der Natur erklärt: aus der Oase, aus der eine Beduinenhorde einen blühenden Garten schafft, der besteht, solange Schuchan lebt, wird wieder windverwehte Wüste, als Sadaui, der Führer der Karawane, in blindem Haß den Bruder Schuchan ermordet hat. Das schildert Seidel in einer glockenreinen, edlen Sprache, er lebt sich ein in die primitive Natur dieser Menschen und ihrer Umgebung, so daß er ihrefeinsten seelischen Schwingungen erspürt, und dies ist das Moment, das ihn von vielen modernen Schriftstellern der Erotik unterscheidet. Seidel ist kein Romancier der Mode, er ist nicht der brutale Abenteurer wie Ossendowsky, nicht der Globetrotter der Zeitung, er gibt nicht nur Tatsachen – obwohl er, in späteren Werken, als Musterbeispiel für die vielgerühmte neue Sachlichkeit genannt werden könnte –, er erfaßt auch seelische Inhalte. Dabei verkennt er nie die unüberbrückbare Kluft zwischen brauner und weißer Rasse, aber ihr Gegensatz ist nie Tendenz bei ihm, er behandelt ihn ganz frei, von der Warte einer feinen Ironie eines Thomas Mann etwa, mit dessen Stil ihn nicht nur diese Ähnlichkeit verknüpft. Aber trotz dieser Kluft weiß Seidel sich auf eine erstaunliche Art in die fremde Volksseele einzufühlen. Das gilt nicht nur für den von ihm so tief erlebten Orient und für die Südsee, sondern erweist sich auch in der Novelle »Utku«, die in ganz anderem Kulturkreis, im Norden Kamtschatkas spielt, und dies spricht für seine Poetengabe, denn seine Phantasie bedarf für ihre Schöpfungen durchaus nicht nur der Sonne Afrikas. Man möchte sagen: er läßt sich in die Seele des Korjäken ebenso hinab wie in die des Beduinen Sadaui; wir zittern mit ihm in der Eiseskälte des nordischen Winters, wie wir das Tötende der Wüstensonne empfinden; wir verstehen die rührende,plumpe Sorgfalt Utkus um sein Enkelkind und seinen schweren Wintertraum in der einsamen nordischen Jurte ebenso wie den primitiven Haß Sadauis gegen seinen jungen Bruder Schuchan in der Wüste. Die Traumgesichte des Poeten spiegeln sich in seinem Werk, oft gleitet Wirklichkeit ins Reich des Traumes über, und die Grenzen verschwinden. So geht es Seidel im »Utku«, im »Sang der Sakije« und in der Novelle »Jali und sein weißes Weib«. Hier, in dieser Schöpfungsvision, wird ein kleines blondes Mädchen bei einem Sturm an der Feuerlandküste zu den Wilden

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