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Der Schacht

Der Schacht

Titel: Der Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David J. Schow
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Quatsch mit der geheimen Verabredung zu einem James-Bond-Film gehöre. Wahrscheinlich hatte sie eine Tasse Kaffee und eine Zeitung vor sich und las gerade, was die wirkliche Welt an Nachrichten zu bieten hatte, während er hier seine ureigensten Abenteuer erlebte.
    Hinter Cruz erweiterte sich der Riss, und seine Spitze verlor sich in den Wolken des Schnees, die das Dach des Kenilworth verdeckten. Cruz hatte einen Spalt geöffnet, der jetzt Anstalten machte, die ganze Front des Kenilworth auseinanderzureißen. Das kränkliche Glühen war nur ganz schwach zu erkennen. Man musste schon direkt neben dem Spalt stehen, um zu sehen, wie es aus ihm herausstrahlte. Cruz wollte nur weg von dem Gebäude und sah es daher nicht.
    Bei jedem Schritt weg vom Kenilworth sank Cruz bis zu den Knien in frischen Schnee ein, in einen Sumpf aus aneinanderklebenden Kristallen, die sich wie Gewichte an seine Stiefel hängten und versuchten, ihm die Augen zu zerstechen, bis Sie trübe und blind waren. Er stemmte seinen freien Arm vor sich her, ein Tier, das versuchte, die Natur niederzuknüppeln. Er watete voran, mühsam einen Schritt vor den anderen, und stemmte sich dann wieder voran für den nächsten. Der Bienenschwarm aus wehenden Partikeln attackierte dabei seine Augen mit einer Bösartigkeit, die über reine Wetterunbill weit hinausging.
    Alles außerhalb des Gebäudes war unter Schnee begraben, dessen Tiefe jeder Friedhofsordnung standgehalten hätte und sogar den einen oder anderen Meter darüber hinausging. Vielleicht war das, um sicherzugehen, dass die Leichen nie wieder aufstehen würden.
    Cruz stieß sich hart seinen Arm am Pfosten einer Straßenlaterne. Daran hing auch ein Straßenschild, das völlig eisüberkrustet war. Er war sich sicher, dass das die Kreuzung zwischen der Kentmore und der Garrison Street war. Einigermaßen sicher.
    Der Betonpfeiler erhob sich wie ein gigantischer Eisstalagmit, ein gerader, riesiger Fangzahn aus Eis. Wenn er sich gegen ihn lehnte, konnte Cruz sich für ein paar Sekunden – lebenswichtige Sekunden – den Schnee aus den Augen halten.
    Als er sie schloss, kamen ihm die Tränen, und die Lider froren augenblicklich fest. Als er das Eis loskratzte, löste sich auch die Haut mit ab. Die neuen Blutstropfen froren auch sofort an.
    Er musste sich setzen.
    Dies war eine gefährliche Strecke. Man konnte sich wenige Meter vor seiner eigenen Haustür schon verlaufen, so heftig blies der Sturm. Bei den richtigen Bedingungen konnte die gefühlte Kälte schon mal dreißig bis vierzig Grad unter null erreichen. Das kann den Körper innerhalb von Minuten auskühlen. Oder der Körper verliert so viel Wasser, dass er nicht mehr genug Wärme produzieren kann. Man dehydriert zu einem Nichts, während die Finger und Zehen sich der Taubheit des Erfrierens hingeben. Gewebe kristallisiert und stirbt und bekommt dann die gleiche Leichenblässe wie die blutenden Wände in dem Gebäude.
    Cruz benutzte Emilios Messer, um auf den Schnee vor sich einzuhacken. Die Platinklinge fuhr durch die Kruste in die weicheren Schichten der Schneedüne. Er hatte von Leuten gehört, die sich hastig kleine Iglus aus dem Schnee schnitten und darin Stürme überdauerten, die nur halb so schlimm waren wie dieser.
    Als er saß, musste er sich ausruhen. Er hatte sich aus dem Gebäude herausgeschnitten. Das war das Wichtigste. Der Schneesturm war nur eine unangenehme Lappalie, jeder in Chicago behandelte Schneestürme so. Ein kleines Ärgernis.
    Die Schicht blutigen Schleims, die an ihm haftete, seit er sich durch die feuchte Wand gequetscht hatte, schloss sich und erstarrte. Bei jeder seiner Bewegungen bröckelte Eis.
    Mehr als alles andere brauchte er einen Moment Ruhe, bevor er sich weiter dem wütenden Sturm aussetzte.
    Er bedauerte den Verlust seiner Hundemarken. Ohne die würde keiner wissen, wer er war. Keine Identität. Emilios Rasiermesser war dafür nur ein dürftiger Ersatz, auch wenn es ihm das Leben gerettet hatte.
    Das ist das, was man Ironie nennt, dachte er.
    Die ganze Zeit seit Chiquitas Tod hatte Cruz befürchet, dass das Letzte, was er in seinem Leben sehen würde, Emilios Rasiermesser wäre.
    Er hatte recht gehabt. Aber er hatte keine Angst mehr.
    Cruz träumte davon, nichts zu sein, ein Wesen ohne Identität. So wie Wasser, klar und rein und ohne Schuld. Man würde nicht einmal mehr Kleider finden, wenn der Frühling und die Schneeschmelze kamen.
     
    Der schlimmste Schneesturm des Jahrzehnts ließ erst im Morgengrauen des

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