Der Schutzengel
Road Runner ihn mit einem Trick dazu gebracht hat, sich selbst einen Felsbrocken auf den Kopf zu werfen.« Und als ihre Unfähigkeit, zur Sache zu kommen, Chris frustrierte, sagte er schließlich: »Das sind Familiensachen , wissenSie. Kennen Sie denn keine Familiensachen? Über diese Dinge kann ich nur mit meiner Mom reden, weil sie sonst keinen was angehen. Wohin soll man noch heim können, wenn man anfängt, mit Fremden über Familiensachen zu reden?«
Um den Fall für Polizei und Staatsanwaltschaft noch weiter zu komplizieren, entschuldigte Laura Shane sich öffentlich bei allen, deren Eigentum sie auf ihrer Flucht vor den angeheuerten Killern beschädigt oder mißbräuchlich benutzt hatte. Der Familie, deren Buick sie gestohlen hatte, schenkte sie einen neuen Cadillac. Der Mann, dessen Nissan-Kennzeichen sie entwendet hatte, bekam einen neuen Nissan. In sämtlichen Fällen leistete sie äußerst großzügig Schadenersatz und gewann sich damit überall neue Freunde.
Ihre alten Bücher erlebten mehrere Neuauflagen, einige davon erschienen jetzt – Jahre nach ihrem ursprünglichen Erschienen – als Taschenbücher wieder auf den Bestsellerlisten. Große Filmgesellschaften überboten einander, um die wenigen noch freien Filmrechte von Laura-Shane-Romanen zu erwerben. Nach vielleicht von ihrem Agenten in Umlauf gebrachten Gerüchten, die aber vermutlich stimmten, standen die Verlage Schlange, um die Chance zu erhalten, ihr für ihren nächsten Roman einen Rekordvorschuß zahlen zu dürfen.
In diesem Jahr hatte Stefan Krieger schreckliche Sehnsucht nach Laura und Chris, ansonsten aber war das Leben in der Villa des Ehepaars Gaines in Beverly Hills durchaus angenehm. Die Unterbringung war luxuriös, die Verpflegung hervorragend. Jason machte es Spaß, ihm an seinem Schneidetisch zu Hause beizubringen, was man mit Filmmaterial alles anfangen konnte, und Thelma war sowieso amüsant.
»Hör zu, Krieger«, sagte sie an einem Sommertag am Swimming-pool. »Vielleicht wärst du lieber mit den beiden zusammen, vielleicht hast du’s satt, dich hier verstecken zu müssen. Aber stell dir die Alternative vor! Du könntest jetzt in deinem eigenen Zeitalter festsitzen – ganz ohne Plastikmüll-säcke, Pop Tarts, Day-Glo-Unterwäsche, Thelma-Ackerson-Filme und Wiederholungen von ›Gilligan’s Island‹. Sei lieber dankbar dafür, daß du dich in diesem aufgeklärten Zeitalter wiedergefunden hast.«
»Ja, aber …« Er starrte die glitzernden Lichtreflexe auf dem nach Chlor riechenden Wasser eine Weile an. »Nun, ich fürchte, in diesem Jahr der Trennung auch noch die winzige Chance zu vertun, die ich vielleicht gehabt hätte, sie für mich zu gewinnen.«
»Gewinnen kann man sie ohnehin nicht, Herr Krieger. Sie ist kein Hauptgewinn bei der Tombola einer Wohltätigkeitsveranstaltung. Eine Frau wie Laura gewinnt man nicht. Sie entscheidet selbst, wann sie sich jemandem schenken will, und damit hat sich die Sache.«
»Du machst mir nicht gerade Mut.«
»Mut zu machen ist nicht mein Job.«
»Ich weiß …«
»Mein Job ist …«
»Ja, ja!«
»… komisch zu sein. Wenngleich ich mit meinem tollen Aussehen vermutlich als reisende Nutte ebenso erfolgreich sein würde – zumindest in wirklich einsamen Holzfällerlagern.«
Die Weihnachten verbrachten Laura und Chris bei ihren Freunden in Beverly Hills, und Lauras Weihnachtsgeschenk für Stefan war eine neue Identität. Obwohl die Strafverfolgungsbehörden sie bis in den Spätherbst hinein ziemlich strikt hatten überwachen lassen, war es ihr gelungen, durch Strohmänner einen Führerschein, einen Sozialversicherungsausweis, Kreditkarten und einen amerikanischen Reisepaß auf den Namen Steven Krieger beschaffen zu lassen.
Diese Papiere überreichte sie Stefan am Morgen des ersten Weihnachtsfeiertags in einer Schachtel. »Alle Dokumente sind echt. In ›Fluß ohne Ende‹ sind zwei meiner Romanhelden auf der Flucht und brauchen neue Papiere …«
»Ich weiß«, sagte Stefan. »Ich hab’s gelesen. Dreimal.«
»Dasselbe Buch dreimal?« fragte Jason. Sie saßen alle um den Weihnachtsbaum herum, knabberten Süßigkeiten und tranken Kakao, und Jason war in bester Laune. »Laura, nimm dich vor diesem Mann in acht! Das sieht sehr nach Zwangsneurose aus.«
»Ja, natürlich!«, meinte Thelma. »Bei euch Hollywoodtypen gilt jeder, der irgendein Buch liest, als Geistesriese oder Psychopath. Sag mal, Laura, wo hast du bloß diese echt aussehenden gefälschten Papiere
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