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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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fremden Stadt zu finden. Jeder moderne Mensch war mit dieser Technologie vertraut, ohne zu ahnen, dass sie zugleich die Zoologie revolutionierte.
    Telemetrie.
    Schon Ende der Fünfziger hatten amerikanische Wissenschaftler Konzepte entwickelt, um Tiere mit Sonden auszurüsten. Die US Navy begann wenig später mit dressierten Delphinen zu arbeiten, allerdings scheiterten die ersten dieser Programme an der Größe der Sender. Sie waren einfach zu schwer. Was nützte ein Fahrtenschreiber auf dem Rücken eines Delphins, der Aufschluss über dessen natürliches Verhalten liefern sollte, wenn er eben dieses Verhalten beeinflusste? Man drehte sich eine Weile im Kreis, bis die Mikroelektronik den Umschwung brachte. Plötzlich lieferten schokoriegelgroße Fahrtenschreiber und ultraleichte Kameras alle gewünschten Daten direkt aus freier Wildbahn – unbemerkt von ihren Trägern, die mit knapp 15 Gramm Hightech durch Regenwälder spazierten oder unter den Eisschollen des McMurdo Sounds hindurchtauchten. Endlich gaben Grizzlybären, Wildhunde, Füchse und Karibus Aufschluss über ihre Lebensweise, über Paarung, Jagdverhalten und Wanderrouten. Man flog mit Seeadlern und Albatrossen, Schwänen, Gänsen und Kranichen um die halbe Welt. Am vorläufigen Ende der Entwicklung wurden Insekten mit Minisendern ausgerüstet, die gerade mal ein tausendstel Gramm wogen, ihre Betriebsenergie aus Radarwellen bezogen und die Strahlen indoppelter Frequenz zurückwarfen, sodass die Daten noch in über 700 Metern Entfernung klar zu empfangen waren.
    Den Großteil der Messungen bewältigte die satellitengestützte Telemetrie. Das System war ebenso einfach wie genial. Die Signale des Tiersenders wurden in den Orbit entsandt und dort von ARGOS, einem Satellitensystem der französischen Raumfahrtorganisation CNES, aufgenommen. Sie fanden ihren Weg zurück zur Betreiberzentrale in Toulouse und zu einer Bodenstation in Fairbanks, USA, von wo sie innerhalb von 90 Minuten an eine Reihe weltweit angeschlossener Institute weitergeleitet wurden – fast so gut wie Echtzeitübertragung.
    Die Erforschung von Walen, Robben, Pinguinen und Meeresschildkröten entwickelte sich schnell zu einem eigenen Bereich der Telemetrie. Sie gewährte Einblick in den faszinierendsten, weil unerforschtesten Lebensraum der Erde. Ultraleichte Fahrtenschreiber speicherten Daten aus beträchtlicher Tiefe, registrierten Temperatur, Tauchtiefe und -dauer, Standort, Schwimmrichtung und Geschwindigkeit. Dummerweise durchdrangen ihre Signale kein Wasser, was die ARGOS-Satelliten gegenüber der Tiefsee zur Blindheit verdammte. Buckelwale etwa, die einen Großteil ihres Lebens vor der Küste Kaliforniens verbrachten, hielten sich höchstens eine Stunde pro Tag an der Wasseroberfläche auf. Während Ornithologen ziehende Störche zugleich beobachten und Daten empfangen konnten, waren die Meeresforscher wie abgeschnitten, sobald die Wale abtauchten. Um sie wirklich zu erforschen, hätte man ihnen mit laufender Kamera zum Grund des Pazifik folgen müssen, aber das schaffte kein Taucher, und U-Boote waren zu langsam und zu unbeweglich.
    Wissenschaftler der University of California in Santa Cruz fanden schließlich die Lösung in Form wenige Gramm schwerer, druckfester Unterwasserkameras. Sie befestigten die Geräte nacheinander an einem Blauwal, einem See-Elefanten, einigen Weddellrobben und schließlich auch an einem Delphin. Innerhalb kürzester Zeit wurden erstaunliche Phänomene offenbar. Wenige Wochen reichten, um das Wissen über Meeressäuger enorm zu erweitern. Alles wäre wunderbar gewesen, hätte man Wale und Delphine so einfach besonden können wie andere Tiere, doch eben dies gestaltete sich schwierig bis unmöglich. Darum lagen längst nicht so viele Aufzeichnungen über den Lebensraum der Wale vor, wie Anawak sich in diesen Stunden gewünscht hätte, und andererseits mehr als genug. Da niemand zu sagen wusste, wonach man Ausschau halten musste, war jede Aufzeichnung wichtig – und damit Tausende Stunden Bild- und Tonmaterial, Messungen, Analysen und Statistiken.Projekt Sisyphos, wie John Ford es nannte.
    Wenigstens über Mangel an Zeit konnte sich Anawak nicht beklagen. Davies Whaling Station war rehabilitiert – und geschlossen. Nur noch sehr große Schiffe befuhren das Küstengebiet des kanadischen und nordamerikanischen Westens. Das Desaster vor Vancouver Island hatte sich beinahe zeitgleich von San Francisco bis hinauf nach Alaska abgespielt. Im Verlauf der ersten

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