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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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hatte er irgendetwas eingeatmet, wahrscheinlich war Flüssigkeit in seinen Mund gelaufen, oder er hatte irgendetwas mit der Zunge aufgenommen, als er sich die Lippen leckte.
    Ob es nun der Gedanke an das zerplatzte Tier war oder einfach die Folge seiner plötzlichen Erkrankung, jedenfalls erbrach sich Jérôme mit plötzlicher Heftigkeit in die Zierpflanzen. Noch während er da hing, würgend und keuchend, dachte er, dass es jetzt wohl draußen war, das Zeug. Gut so. Er würde einen Schluck Wasser trinken, und dann würde es ihm bestimmt sehr schnell besser gehen.
    Er stemmte sich hoch. Alles um ihn herum drehte sich. Sein Kopf fühlte sich glühend heiß an, sein Blickfeld verengte sich, und er schaute in eine Spirale. Du musst aufstehen, dachte er. Aufstehen und in der Küche nach dem Rechten sehen. Nichts darf schief gehen. Nicht im Troisgros.
    Mühsam kam er auf die Beine und schlurfte davon, aber er ging in die verkehrte Richtung. Nach zwei Schritten wusste er nicht mehr, dass er in die Küche hatte gehen wollen. Er wusste eigentlich überhaupt nichts mehr, und er sah auch nichts mehr.
    Unter den Bäumen, die den Garten umstanden, brach er zusammen.

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    18. April
    Vancouver Island, Kanada
    Es nahm kein Ende.
    Anawak fühlte seine Augen kleiner und kleiner werden. Er spürte, wie sie sich röteten, wie die Lider aufquollen und sich drum herum Fältchen bildeten, für die er zu jung war. Kurz davor, mit dem Kinn auf die Tischplatte zu knallen, starrte er weiter auf den Bildschirm. Seit der Wahnsinn über die Westküste gekommen war, hatte er kaum etwas anderes getan, als Bildschirme anzustarren, ohne bislang mehr als einen Bruchteil des Materials gesichtet zu haben – Aufzeichnungen, deren Existenz sich einer der bahnbrechendsten Erfindungen in der Verhaltensforschung verdankte:
    Der Tiertelemetrie.
    Ende der siebziger Jahre hatten Forscher eine Methode entwickelt, Tiere auf völlig neuartige Weise zu beobachten. Bis dahin waren nur sehr ungenaue Aussagen über Verbreitungsgebiet und Wanderungsverhalten der Arten möglich gewesen. Wie ein Tier lebte, wie es jagte und sich paarte, welche individuellen Ansprüche und Bedürfnisse es hatte, blieb der Spekulation überlassen. Natürlich unterlagen Tausende von Tieren ständiger Beobachtung. Aber fast immer fand sie unter Bedingungen statt, die keine wirklichen Rückschlüsse auf ihr natürliches Verhalten ermöglichten. Ein Tier in Gefangenschaft tat nun mal nicht, was es in freier Wildbahn tat, ebenso wenig wie ein Häftling in einer Zelle repräsentative Daten über sein Leben als freier Mensch geliefert hätte.
    Selbst dort, wo man Tieren in ihrem angestammten Lebensraum begegnete, blieben die Erkenntnisse unzureichend. Entweder suchten sie augenblicklich das Weite oder kamen gar nicht erst zum Vorschein. Tatsächlich wurde so ziemlich jeder Forscher länger vom Objekt seiner Neugier in Augenschein genommen, als er selber es beobachtete. Andere Spezies, die weniger scheu waren – wie etwa Schimpansen oder Delphine –, richteten ihr Verhalten auf den Beobachter aus, reagierten aggressiv oder neugierig, wurden mitunter kokett und setzten sich in Pose, kurz, sie taten alles, um jeder objektiven Erkenntnis entgegenzuwirken. Hatten sie genug, verschwanden sie im Dickicht, erhoben sich in die Lüfte oder tauchten unter die Wasseroberfläche, wo sie sichendlich so verhielten, wie es ihrer Natur entsprach – nur dass man ihnen dorthin nicht folgen konnte.
    Doch genau diesen Traum hatten die Biologen seit Darwin geträumt: Wie überlebte man als Robbe oder Fisch in den dunklen und kalten Gewässern der Antarktis? Wie erhielt man Einblick in ein Biotop, das von einer geschlossenen Eisdecke überzogen war? Wie sah man die Welt während des Flugs über das Mittelmeer nach Afrika, wenn man nicht in einem Flugzeug saß, sondern auf dem Rücken einer Wildgans? Was widerfuhr einer einzelnen Biene innerhalb von vierundzwanzig Stunden? Wie erhielt man Daten über die Frequenz von Flügelschlägen, über Herzrhythmus, Blutdruck, Fressverhalten, tauchphysiologische Leistungen, Sauerstoffspeicherung und die Folgen anthropogener Einflüsse auf Meeressäuger wie Schiffslärm oder Unterwasserdetonationen?
    Wie folgte man Tieren dorthin, wohin kein Mensch folgen konnte?
    Die Antwort fand sich in einer Technologie, mit deren Hilfe Spediteure die Position ihrer Schwerlaster bestimmen konnten, ohne ihr Büro zu verlassen, und die Autofahrern half, eine Straße in einer völlig

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