So heiß wie der Wuestenwind
1. KAPITEL
Kamal ben Hareth ben Essam Ed-Deen Al Masud schlug mit aller Kraft zu.
Der Sandsack schwang zurück und dann wieder zu ihm hin, wie bereit zu einem neuen Angriff. Wie ein Verrückter traktierte Kamal ihn erneut mit Faustschlägen. In jeden Schlag legte er seine Wut auf die Leute, die ihn in seine missliche Lage gebracht hatten. Wäre sein Gegner ein Mensch gewesen, man hätte Knochen brechen hören.
So aber blieben Kamals kraftvolle Schläge folgenlos. Nach dreißig Minuten schien der Sandsack ihn förmlich zu verhöhnen: Sieh, mit all deiner Kraft und Wut hast du nichts ausgerichtet. Ich bin immer noch wie neu.
Kamal presste sein Gesicht gegen die kühle Oberfläche des Sandsacks. Er hatte versucht, ein Ventil für seinen Zorn zu finden, vergeblich. Er war fast noch wütender als zuvor. Würde er sich je wieder beruhigen können, würde der Schock je nachlassen?
Der König von Judar war tot. Wie hieß es doch: Der König ist tot, es lebe der König. Und dieser neue König … war er.
Seine Brüder hatten ihm das eingebrockt. Eigentlich war er ja erst der Dritte in der Thronfolge gewesen. Aber erst hatte Faruq aus Liebe auf den Thron verzichtet, und dann hatte Shehab es ihm aus dem gleichen Grunde nachgetan. Und zwei Tage bevor die Thronfolge in einer feierlichen Zeremonie auf Kamal übertragen werden sollte, war der seit Langem schwer kranke König gestorben.
Jetzt würde er in einer anderen Zeremonie direkt zum König gekrönt werden. Faruq wäre dann Kronprinz und Shehab gewissermaßen der Ersatzmann. Wie dankbar sie ihm waren, dass er ihnen die Bürde abnahm! Sie zogen es ja vor, ihr vermeintliches Familienglück zu genießen und kleine Prinzessinnen für ihr Heimatland Judar in die Welt zu setzen.
Am liebsten hätte er sie gepackt und geschüttelt und ihnen ins Gesicht geschrien: Ihr werdet schon noch sehen, was ihr davon habt! Eure lieben Frauchen werden euch noch das Herz aus der Brust reißen und darauf herumtrampeln! In etwas abgeschwächter Form hatte er es ihnen schon prophezeit, aber sie hatten ihn nur milde angelächelt und ihm natürlich kein Wort geglaubt. Kein Wunder, sie standen ja völlig unter dem Einfluss dieser beiden Verführerinnen.
Wütend zog Kamal sich das verschwitzte T-Shirt aus, warf es achtlos zu Boden und ging zum Duschraum.
Aber seine Brüder hatten ihm ja nicht nur den Thron aufgedrängt – es war alles noch viel schlimmer. Zusätzlich – als Bestandteil einer Abmachung – musste er auch noch heiraten.
Und obwohl das für ihn einer Höchststrafe gleichkam, hätte Kamal es auf sich genommen. Wenn es sich um eine andere Frau gehandelt hätte. Und nicht um Aliyah Morgan, die Frau, die er seit sieben Jahren krampfhaft zu vergessen versuchte.
Ya Ullah , wie sehr er sich wünschte, aus diesem Albtraum zu erwachen!
Aber es war kein Traum, es war die harte Realität.
Durch eine schier unglaubliche Fügung des Schicksals war Aliyah die Frau, die der zukünftige König von Judar heiraten musste. Dies war Bestandteil einer Abmachung, die dem Land Judar und der gesamten Region den Frieden sichern sollte.
Ich sollte mich einfach weigern, dachte Kamal. Dann müsste einer meiner Brüder Aliyah heiraten. Das wäre ja nach unseren Gesetzen durchaus möglich, auch wenn man schon eine Frau hat.
Dann tauchte ein Bild vor seinem geistigen Auge auf. Aliyah im Bett von Faruq oder Shehab, wie sie sich schwitzend und keuchend unter ihnen wand … Sein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen.
B’Ellahi , verlor er den Verstand? Warum machte ihn dieser Gedanke eifersüchtig? Diese Frau sollte ihm doch schon lange nichts mehr bedeuten. Sie war weniger wert als der Staub auf den Straßen!
Ärgerlich ging Kamal unter die Dusche und drehte das Wasser an. Sein nahezu perfektes Gedächtnis, das ihm bei seinen Geschäften zugutekam, erwies sich als quälend, was Aliyah betraf. Er erinnerte sich an jeden Moment mit ihr.
Bis er sie getroffen hatte, konnte er Frauen problemlos in vier Kategorien einteilen: Familienangehörige, Freundinnen, Heiratskandidatinnen und Geliebte. Eine dieser Kategorien passte immer.
Doch bei ihr war es anders. Kaum hatte er sie erblickt, war ihm unmöglich gewesen, sie nicht anzusprechen. Ihre Intelligenz und ihre Energie hatten ihn zutiefst beeindruckt. Aliyah hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass sie ihn ebenso anziehend fand.
Seine Leute hatten ihn damals gewarnt. Aliyah arbeitete als Model, und allein das war ihnen schon suspekt. Obendrein setzte sie
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