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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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Prolog
     
    Der rasche und gewaltsame Untergang des fränkischen Benediktinerklosters Eberberg nahm seinen Anfang in den Abendstunden des 22. Mai im Jahre des Herrn 1599.
     
    Abt Odilo von Braunfels saß auf seinem hochlehnigen, mit reichem Schnitzwerk verzierten Stuhl im Kapitelsaal. Er biss sich auf die Unterlippe und warf einen kurzen Blick durch das spitzbogige, klarverglaste Fenster hinaus auf die das Kloster im Osten umgebenden Felder und den dunklen Tannenwald, der sich in der Ferne anschloss und der auf den Abt wie eine Mauer wirkte, hinter der sich die Welt in Chaos und Verwirrung verlor. Die Sonne war bereits untergegangen; sanfte Abenddämmerung legte sich über die reglosen Felder und den finsteren Wald. Es wurde zunehmend schwieriger, nach draußen zu schauen, denn die vielen Fackeln, die in Halterungen an den Wänden des Kapitelsaals blakten, spiegelten sich in dem hohen Fenster; ihre Flammen zuckten über Wald und Tal und schufen so den Eindruck, als vergehe das Gebiet jenseits der Klostermauern in einem alles verzehrenden Weltenbrand.
     
    Abt Odilo wandte den Blick von diesem beunruhigenden Bild ab und schaute ängstlich vor sich. Er war nicht allein in dem fast quadratischen Kapitelsaal. Auf den Steinbänken, die an den drei übrigen Wänden entlang verliefen, saß der gesamte Konvent, der wie gackernde Hühner hier zusammengetrieben worden war. Die Gesichter der Mönche waren rot vom Widerschein der Fackeln, der ihre Augen zu feurigen Spiegeln und ihre vor Furcht offen stehenden Münder zu Schlünden der Hölle machte. Sie alle starrten auf die einzelne, massive Säule, die sich in der Mitte des Saales erhob und das fein gearbeitete Kreuzrippengewölbe trug, das sich mit seiner Sternbemalung wie der Himmel selbst über dem Konvent erhob. Doch heute hatte dieser Himmel nichts Tröstliches an sich. Auch er stand in Flammen. In Schattenflammen.
     
    Um die reich kannelierte Säule mit ihrem dicken Schaft hatten sich Gestalten versammelt, die nur ein Auswurf der Hölle sein konnten. Sie waren zerlumpt, und das Feuer in ihren Augen loderte im Wettstreit mit den vielen Fackeln an den Wänden. In den Händen hielten sie Messer, Dolche und Schwerter, deren Klingen im zuckenden Licht gleißten und glitzerten.
     
    Unter diesen Dämonen stand aufrecht und mit in die Hüften gestemmten Fäusten ein Mann, der wie ein Diamant inmitten eines noch glimmenden Aschenhaufens wirkte. Er trug ein Wams aus glänzender roter Seide, das nach neuester Mode geschlitzt und mit schwarzem Samt unterlegt war, sodass es die Schatten und die Flammen aufnahm und den eleganten Mann wie ein Feuerwesen wirken ließ, wie einen der sagenhaften Salamander, denen keine noch so große Hitze etwas anhaben konnte.
     
    Der Mann lächelte. Seine schwarzen Augen funkelten, und er kraulte sich den sorgfältig geschnittenen Vollbart. Er nickte kurz, wie um den Abt zum Reden aufzufordern; dabei wippte die ausladende Pfauenfeder an seinem pelzbesetzten Barett aufreizend hin und her.
     
    »Nein, das kann ich nicht«, sagte Abt Odilo schließlich und griff mit seiner fleischigen Hand nach dem goldenen Kreuz, das ihm vor der Brust baumelte. Er spielte mit dem dünnen Querbalken, wie er es immer tat, wenn er eine Entscheidung treffen musste, die ihm zuwider war.
     
    »Ich verstehe Euch nicht, ehrwürdiger Vater«, sagte der Mann und blickte geradezu erstaunt und enttäuscht aus seinen dunklen Augen, die jede Sekunde einen anderen Ausdruck anzunehmen schienen: einmal boshaft, dann wieder sanft, doch sofort darauf zornig, danach belustigt und manchmal all das zugleich. »Was habt Ihr denn davon, wenn Ihr es mir verheimlicht?«
     
    »Ich rechte nicht mit dir, Satan«, erwiderte der Abt leise; es klang, als müsse er seine ganze Kraft und seinen ganzen Mut zusammennehmen, um überhaupt ein Wort sagen zu können. Jetzt hielt er das Kreuz auf seiner Brust so fest gepackt, dass die Knöchel seiner fetten Hand weiß aus dem rosigen Fleisch hervorstachen.
     
    »Satan?« Der Mann lachte.
     
    Seine Bande fiel krächzend und rau in dieses Gelächter ein. So musste sich das Lachen der Hölle anhören. »Zu viel der Ehre.« Der Mann richtete sich noch etwas mehr auf. Er war größer als die meisten seiner Genossen, aber seine Dürre ließ ihn nicht sehr imposant erscheinen. Es war die reiche, vornehme Kleidung, die seine majestätische Wirkung ausmachte, nicht der in ihr verschwindende Körper. Er hob die Hand, und als hätte man den rauen Buben allesamt im

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