Der Spieler (German Edition)
und der ihm gegenüber jetzt den feinen Herrn mimt ... und der nun Whisky in sein Glas kippt, bis es überfließt, ein bernsteinfarbener Wasserfall, in dem sich das Flackern der Kerzen spiegelt.
Ma stellt die Flasche ab und betrachtet die Lache, die sich auf dem Tisch gebildet hat. »Wahrlich, die Welt steht Kopf! Die Jungen herrschen über die Alten. Die Malayen vertreiben die Chinesen. Und die fremden Teufel kehren an unsere Küsten zurück wie aufgedunsene Fische nach einer ku-shui -Epidemie.« Ma lächelt. »Sie müssen Ihre Augen offenhalten und auf die richtige Gelegenheit warten. Nicht wie die alten Männer auf den Bürgersteigen, die jede Arbeit annehmen. Suchen Sie sich Ihre eigene Nische. So wie ich! Deshalb stehe ich in Lohn und Brot.«
Tranh beißt sich auf die Unterlippe. »Das waren noch andere Zeiten, als Sie hierhergekommen sind.« Sein voller Magen und der Schnaps, der ihm Gesicht und Glieder wärmt, lösen ihm die Zunge. »Seien Sie bloß nicht zu stolz! Für mich stinken Sie noch immer nach Muttermilch. Außerdem wohnen Sie im Haus des Kadaverkönigs. Sie sind nur Gebieter über die Yellow Cards. Und was ist das schon? Noch sind Sie nicht höher hinaufgeklettert als bis zu meinen Fußknöcheln, Herr Großkotz!«
Ma reißt entgeistert die Augen auf. Dann lacht er. »Nein. Natürlich nicht. Irgendwann vielleicht. Aber ich versuche, von Ihnen zu lernen.« Er betrachtet ihn mitleidig. »Außer von dem, was aus Ihnen geworden ist.«
»Stimmt es, dass es in den oberen Stockwerken Spannfederventilatoren gibt? Dass es dort kühl ist?«
Ma blickt zu dem hoch aufragenden Wolkenkratzer hinüber. »Ja. Natürlich. Und es gibt dort auch Männer, die die nötigen Kalorien haben, um sie aufzuziehen. Und die Wasser für uns hinaufschleppen und als Ballast in den Aufzügen eingesetzt werden – auf und ab, den ganzen Tag, nur um dem Kadaverkönig zu gefallen.« Er lacht und schenkt Whisky nach, fordert Tranh mit einer Handbewegung zum Trinken auf. »Aber Sie haben recht. Toll ist das nicht. Ein armseliger Palast, wirklich. Doch das spielt jetzt keine Rolle mehr. Wir haben unsere Wohnberechtigungsscheine. Sobald ich morgen meinen Lohn erhalte, ziehen wir aus. Dann haben wir Ruhe vor den Yellow Cards. Und müssen nicht mehr jeden Handlanger des Kadaverkönigs schmieren. Auch die Weißhemden werden uns keine Probleme mehr machen. Ich habe alles mit dem Umweltministerium geregelt. Wir geben unsere Yellow Cards ab und werden Thais. Echte Immigranten! Keine invasive Spezies mehr.« Er hebt sein Glas. »Deshalb feiere ich auch.«
Tranh mustert ihn wütend. »Sie sind bestimmt sehr zufrieden mit sich.« Er trinkt sein Glas leer und knallt es auf den Tisch. »Vergessen Sie nur nicht, dass der Nagel, der heraussteht, auch wieder hineingeklopft wird.«
Ma schüttelt den Kopf und grinst, seine Augen hell vom Whisky. »Bangkok ist nicht Malakka.«
»Und Malakka war nicht Bali. Trotzdem sind sie mit ihren Macheten und Federpistolen gekommen, haben unsere Köpfe im Rinnstein gestapelt und unsere Leichen den Fluss hinunter nach Singapur treiben lassen.«
Ma zuckt mit den Achseln. »Vorbei ist vorbei.« Mit einer Handbewegung bestellt er bei dem Mann hinter dem Wok noch mehr zu essen. »Wir müssen uns jetzt hier einrichten.«
»Glauben Sie, dass Sie das können? Ohne dass irgendwelche Weißhemden Ihnen irgendwann das Fell über die Ohren ziehen? Egal, was wir tun, mögen werden sie uns nicht. Das Schicksal ist gegen uns.«
»Das Schicksal? Seit wann ist Mr ›Drei Reichtümer‹ so abergläubisch?«
Mas Gericht wird serviert – knusprig frittierte kleine Krabben, gesalzen und noch von heißem Öl triefend. Ma und Tranh picken sie mit ihren Essstäbchen auf und zermalmen sie geräuschvoll zwischen den Zähnen. Keine der Krabben ist größer als Tranhs kleiner Finger. Ma greift mit spitzen Fingern nach einem besonders schönen Exemplar und steckt es sich in den Mund. »Wann ist Mr ›Drei Reichtümer‹ ein solcher Schwächling geworden? Als Sie mich gefeuert haben, haben Sie mir erklärt, ich wäre für mein Schicksal selbst verantwortlich. Und jetzt behaupten Sie, das Glück hätte Sie verlassen?« Er spuckt auf den Gehsteig. »Ich kenne Aufziehmenschen mit mehr Überlebenswillen als Sie.«
» Fang pi .«
»Nein! Es ist wirklich wahr. In der Bar, die mein Boss öfter besucht, arbeitet ein japanisches Aufziehmädchen.« Ma beugt sich über den Tisch. »Sie sieht aus wie eine echte Frau. Und Sie macht die
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