Der Spieler (German Edition)
Partner auf der Straße steht und die Konzessionen der Dungsammler überprüfen möchte.
Jedes Mal unterdrückt Tranh das panische Verlangen, sich die allzu feinen Kleider vom Leib zu reißen und in sicherer Anonymität zu versinken. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Weißhemden ihn zu fassen bekommen. Bis sie ihre schwarzen Schlagstöcke schwingen und seinen chinesischen Schädel zu einem Brei aus Blut und Knochen prügeln. Da ist es besser, nackt durch die heiße Nacht zu rennen, als wie ein Pfau einherzustolzieren und zu sterben. Trotzdem, er kann sich nicht überwinden, den verfluchten Anzug preiszugeben. Aus Stolz? Aus Dummheit? Jedenfalls behält er ihn an, obwohl er sich wegen des protzigen Schnitts vor Angst fast in die Hosen macht.
Bis er zu Hause ist, sind sogar die Gaslampen an den Hauptstraßen Sukhumvit Road und Rama IV erloschen. Vor dem Hochhaus des Kadaverkönigs brennen in einigen Garküchen noch immer Feuer unter den Woks, denn ein paar glückliche Arbeiter haben Nachtdienst und sind von der Ausgangssperre befreit. Auf den Tischen flackern Kerzen aus Schweinetalg. Nudeln klatschen zischend in heißes Fett. Weißhemden schlendern vorbei und mustern eingehend die Yellow Cards, die dort sitzen, damit ja keiner der Fremden so dreist ist, im Freien zu schlafen und die Gehwege mit seinem Schnarchen zu besudeln.
Tranh flüchtet sich auf das Gelände des Hochhauses, das unter dem Schutz des Kadaverkönigs steht. Müde stolpert er auf den Eingang und die schwüle Hitze des Treppenhauses zu. Wie weit wird er wohl hinaufsteigen müssen, bevor er sich einen Platz auf der Treppe erkämpfen kann?
»Sie haben die Stelle nicht bekommen, was?«
Als Tranh die Stimme hört, zuckt er zusammen. Ma Ping sitzt an einem Tisch auf dem Gehsteig, eine Flasche Mekong-Whisky neben sich. Sein Gesicht ist gerötet vom Alkohol – es leuchtet wie eine Papierlaterne. Auf seinem Tisch stehen Teller mit Resten, an denen sich noch mindestens fünf Leute satt essen könnten.
In Tranhs Kopf liegen Bilder von Ma miteinander im Widerstreit: der junge Angestellte, den er gefeuert hat, weil er zu gut mit dem Abakus umgehen konnte; der Mann mit dem fetten Sohn; der Mann, der noch rechtzeitig den Absprung geschafft hat; der Mann, der ihn anflehte, wieder bei ›Drei Reichtümer‹ eingestellt zu werden; der Mann, der jetzt durch Bangkok stolziert, an seinem Handgelenk Tranhs letzten kostbaren Besitz – die eine Sache, die ihm nicht einmal die Schlepper gestohlen haben. Wahrlich, das Schicksal ist grausam, denkt Tranh bei sich, bringt es ihn doch in die unmittelbare Nähe von jemandem, von dem er einst dachte, er stünde meilenweit unter ihm.
Obwohl er sich vornimmt, Rückgrat zu zeigen, bekommt er wieder nur ein schüchternes Flüstern zustande. »Was kümmert Sie das?«
Ma hebt die Schultern, schenkt sich Whisky ein. »Ohne den Anzug hätte ich Sie in der Schlange gar nicht bemerkt.« Er deutet auf Tranhs Kleider, die vom Schweiß ganz feucht sind. »Gute Idee, sich ein wenig zurechtzumachen. Aber so weit hinten bringt das auch nichts.«
Am liebsten würde Tranh weitergehen und den arroganten Flegel ignorieren, aber die Reste von gedünstetem Barsch, Laap und U-Tex-Reisnudeln sind allzu verlockend. Er glaubt, Schweinefleisch zu riechen, und ihm läuft das Wasser im Mund zusammen. Sein Gaumen schmerzt bei der Vorstellung, ein Stück Fleisch kauen zu können, und er fragt sich, ob seine Zähne diesem Luxus überhaupt gewachsen wären ...
Tranh wird urplötzlich bewusst, dass er schon eine ganze Weile dasteht und die Reste von Mas Mahlzeit anstarrt. Während Ma wiederum ihn beobachtet. Ihm schießt das Blut ins Gesicht, und er will sich abwenden.
»Ich habe Ihre Armbanduhr nicht gekauft, um Sie zu kränken«, sagt Ma.
Tranh ist perplex. »Warum dann?«
Mas Finger verirren sich zu der Spielerei aus Gold und Diamanten, ziehen sich wieder zurück. Stattdessen greift er nach dem Whisky. »Sie sollte mich an etwas erinnern.« Er nimmt einen Schluck und stellt das Glas ganz vorsichtig zwischen die halbvollen Teller – offenbar ist er schon ziemlich angetrunken. Dann grinst er verlegen. »Daran, dass Hochmut vor dem Fall kommt.«
Tranh spuckt aus. » Fang pi .«
Ma schüttelt energisch den Kopf. »Nein! Es stimmt wirklich.« Er holt tief Luft. »Es kann jeden erwischen. Wenn die ›Drei Reichtümer‹ nicht sicher sind, bin ich es ebenso wenig. Das wollte ich im Gedächtnis behalten.« Er nimmt einen weiteren Schluck Whisky.
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