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Der Spion der Zeit

Der Spion der Zeit

Titel: Der Spion der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcelo Figueras
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schwebende Gegenstand, bei dessen Anblick er zunächst an eine große Spinne gedacht hatte, entpuppte sich als Fußbank. Vier gedrechselte Beine, ein bordeauxfarbener Bezug. Der Nachbar versuchte weiter hineinzuspähen, aber das Zimmer war von einer grauen Wolke ausgefüllt. Es dauerte einen Moment, bis die von seinen Füßen aufsteigende Kälte ihm klarmachte, dass er in einer Pfütze stand. Die graue Wolke war Wasser.
    Er stellte sich Abelláns Tobsuchtsanfall vor, wenn er feststellte, dass sich sein Refugium in ein Aquarium verwandelt hatte. Aber der Major hatte das Haus gar nicht verlassen.
    Seine Leiche schwamm langsam am Fenster vorbei. Sein Mund stand offen, ein Auge war halb geschlossen, das andere blickte erstaunlich klar nach draußen. Es schien ihn unentwegt anzusehen. Da drehte sich der Körper, von einer Strömung erfasst, einmal um die eigene Achse.
    Der Nachbar machte einen Schritt zurück. Abelláns Hände, dafür geschaffen, auf Tische zu schlagen und Kanonen zu ölen, sagten ihm Lebewohl.
    IV
    So ging Major Abelláns Traum, noch einmal die Titelseiten der Tageszeitungen einzunehmen, in Erfüllung.
    Von einem Unfall war die Rede (doch die Ermittlungen ergaben, dass die Rohrleitungen in gutem Zustand waren) und von Selbstmord. Abellán hätte allen Grund dafür gehabt.
    Man sprach über die Depression, in die er nach seiner unehrenhaften Entlassung gefallen und die durch den Weggang seiner Frau und den Tod Ferrers wohl noch verschlimmert worden war. Man sprach sogar von Schuldgefühlen gegenüber den Opfern des von ihm angezettelten Krieges, als müssten die Worte »Massaker« und »Schuld« zwangsläufig aufeinanderfolgen; eine gewagte Hypothese.
    Dies war aber schon das einzige Detail, über das in den Berichten spekuliert wurde. Nicht einmal die Boulevardzeitungen mit ihrem Hang zur Dramatik stellten die naheliegenden Fragen. Sie schrieben lediglich, Abellán sei ertrunken, und unterstrichen das Makabre an diesem »Unfall«. Missachtung von Logik war man bei ihnen ja gewohnt.
    Die Diskretion, mit der sie des Themas Herr zu werden glaubten, war bereits einen Tag später verpufft, als eine Reihe spontaner Demonstrationen (sie setzten das Wort kursiv, um anzudeuten, dass sie den Absichten der Demonstranten misstrauten; und die Herausgeber misstrauen, wie man sieht, allem Kursiven) mit Ausschreitungen, kaputten Scheiben und zahlreichen Verletzten endete, und das nicht nur in Santa Clara, der Hauptstadt der Republik Trinidad, sondern auch in einigen bedeutenden Provinzstädten.
    Die Demonstranten behaupteten, den gewaltsamen Tod Abelláns zu feiern. Sie sähen darin eine Wiedergutmachung für die Opfer des Prätorianerregimes.
    Ähnliche Jubelgesänge waren in ganz Santa Clara zu hören. Die Plaza de la Victoria war das Epizentrum eines Marsches mit den Pappmachékonterfeis vom Henker Moliner und General Prades’ an der Spitze, die man als nächste Opfer der rächenden Hand Gottes hinstellte. Die Figuren wurden nach Sonnenuntergang in einer feierlichen Zeremonie eingeäschert, die an die Fackelumzüge der Bonfire Night erinnerte.
    Die Angelegenheit wurde zunehmend politisch. Ob die Tode auf Haushaltsunfälle zurückgingen, wie die Regierung es sehen wollte, war nicht so wichtig wie die Tatsache, dass die Vorsehung hier ganz offensichtlich das Amt der Justiz übernahm. Die Debatte über die Amnestie, die die Prätorianer vor lebenslanger Haft bewahrte, wurde neu entfacht. Hartnäckig verkündete die Regierung, das Gesetz könne unmöglich wieder rückgängig gemacht werden, ein Ausnahmegesetz lasse sich nicht einfach durch ein weiteres Ausnahmegesetz annullieren. So absurd die Argumentation auch war, es gelang dem Regierungschef, die Stimmen gegen die Amnestie zum Schweigen zu bringen. Keines der Kabinettsmitglieder konnte sich jedoch des Gefühls erwehren, man habe sie lächerlich gemacht. Und das kam einem Säbelhieb auf den gordischen Knoten ihrer Autorität gleich.
    Man bat die Trauernden, sich mit den Vorbereitungen für die Begräbnisfeierlichkeiten zu beeilen. Dennoch gestalteten sich die Beerdigungen als eine Art Parade mit Neugierigen, Jubelnden, hunderten von Polizisten und unzähligen Kameras.
    Höhepunkt beider Begräbnisse war der Auftritt von Moliner und Prades. Man hatte ihnen nahegelegt, schriftlich zu kondolieren, doch das hatten sie abgelehnt. Der eine wie der andere genoss den Tumult, der es ihnen erlaubte, sich einvernehmlich mit dem Mob zu zeigen, wenn auch aus anderen Gründen: Sie

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