Der Staat
somit nur im Kriege es Gerechtigkeit gebe, und im Frieden nur das gebrauchlose Aufbewahren hinterlegter Schätze als Gerechtigkeit übrig bliebe (c. 7), ja so gar an die Gewandtheit im Aufbewahren sich jene im Stehlen anschließe; ferner auch darum, weil erst noch zu unterscheiden sei, wer wirklich Freund oder Feind sei (c. 8), und dem wirklichen Feinde gegenüber eine solche Übung der Gerechtigkeit nicht bessernd, sondern eher verschlechternd wirke, und daher zumeist Sache der Gewaltthätigen sei (c. 9). Nachdem hierauf Thrasymachos in schroffen Ausdrücken sich gegen jede Definition der Gerechtigkeit verwahrt, welche ihm eine bloß relative scheint, wird ihm bedeutet, daß man ja doch zur Erklärung Begriffe und Worte beiziehen müsse, welche in dem Ausdrucke der Gerechtigkeit enthalten sind (c. 10 und 11), und da nun Thrasymachos seine Definition ausspricht, gerecht sei das dem Stärkeren Zuträgliche, und dieß in staatlichem Sinne gemeint sein soll (c. 12), so wird zunächst darauf hingewiesen, daß der erzwungene Gehorsam der beherrschten Schwächeren auch bestehen müsse, wenn der Stärkere aus Irrthum etwas ihm Schädliches gebietet (c. 13), sodann daß zwischen scheinbar und wirklich Zuträglichem zu unterscheiden sei, und daß bei der Annahme, der wahre Herrscher verfehle sein Zuträgliches nie (c. 14), eben doch sich ergebe, daß er nach dem den Beherrschten Zuträglichen strebe, so wie jede Kunst, deren die ihr unterworfenen Dinge bedürfen, ja nur für diese Dinge, nicht aber für sich selbst das Zuträgliche suche (c. 15). Nachdem aber hierauf Thrasymachos in rhetorischer Darlegung von dem Vortheile des Stärkeren und Ungerechten gesprochen (c. 16), wird bemerkt, daß hiebei der Gewalthaber mit dem Gelderwerber verwechselt sei, während doch die Kunst des Lohnerwerbens überhaupt eine eigene Kunst für sich sei (c. 17 u. 18), und auch eigentlich der höchste Lohn des Herrschenden nur in der Vermeidung der höchsten Einbuße bestehe, welche darin läge, wenn er von einem Schlechteren beherrscht würde (c. 19), wenn ferner hiebei die Ungerechtigkeit als Weisheit und Vortrefflichkeit und Stärke bezeichnet werde, so ergebe sich zunächst bezüglich der ersteren zwei das Gegentheil; denn da der Gerechte es nur dem Ungerechten zuvorthun will, der Ungerechte aber sowohl dem Gerechten als auch dem Ungerechten, und zugegeben sei, daß der Wissende und Treffliche es dem Untüchtigen zuvorthun wolle, der Unwissende aber sowohl anderen Unwissenden als auch den Wissenden, so stehe ja der Wissende dem Gerechten und der Unwissende dem Ungerechten gleich (c. 20 u. 21); bezüglich der Stärke aber werde zugegeben, daß Ungerechtigkeit Kampf und Zwietracht, auch in einzelnen Menschen, und selbst gegen die Götter herbeiführe, daher auch eine ungerechte Unternehmung Mehrerer doch eines Grades von Gerechtigkeit bedürfe, die volle höchste Ungerechtigkeit aber nur Selbstentzweiung zur Folge habe (c. 22 u. 23); ferner habe, so wie Alles, so auch die Seele ihre eigentümliche Vortrefflichkeit, ohne die sie ihre eigenthümliche That nicht verrichten könne, eine Vortrefflichkeit aber sei die Gerechtigkeit, und es lebe daher die gerechte Seele glücklicher und vorteilhafter (c. 24).
Von diesem erreichten Schlußpunkte der Einleitung aus schreitet nun die Untersuchung mehr in der Form einer allmäligen Beweisführung folgendermaßen fort:
Die Gerechtigkeit gehört zu den Gütern überhaupt, und zwar, da es drei Arten der Güter gibt, nemlich erstens was nur an sich und ohne Rücksicht auf die Folgen gut ist, zweitens was an sich und in seinen Folgen gut ist, drittens was an sich lästig und nur in den Folgen gut ist, gehört sie zur vorzüglichsten, d. h. der zweiten dieser Arten ( zweites Buch , c. 1). Nach den gewöhnlichen Annahmen hingegen zählt man sie zur dritten, indem man meint, sie sei aus einem Vertrage zum Schutze gegen den Ungerechtigkeits-Trieb der Menschen entstanden (c. 2), daher auch Niemand sie freiwillig übe, sondern nur aus Furcht, entdeckt zu werden, und bei Wegnahme dieser Furcht Jeder ungerecht sei (c. 3), so wie ferner der Ungerechte, welcher mit dem Scheine der Gerechtigkeit sich umgebe, alle Mittel zur Ausführung seines Willens besitze und so als glücklich gelte, während der Gerechte, der den Schein verschmäht, verkannt und gepeinigt werde (c. 4 u. 5) Auch wird diese Ansicht durch die gewöhnliche Art der Erziehung und selbst durch die religiöse Sage gefördert, da man dem Gerechten
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