Der sterbende Detektiv - Roman
ihn von der Intensivstation auf die Neurochirurgie verlegt. Von dort war es nicht weit, falls es Komplikationen geben und eine Operation notwendig werden sollte.
Hypnos ist der Gott des Schlafes in der griechischen Mythologie, der Zwillingsbruder von Thanatos, dem Tod. Sie sind Söhne der Nyx, der Göttin der Nacht, aber keiner von ihnen, nicht einmal Nyx, ist Johanssons Gottheit, denn Johansson ist bewusstlos. Zwar reagierte er rein physiologisch auf Licht, wenn einer der Weißbekittelten an sein Bett kam, sein Augenlid hochzog und in sein Auge leuchtete, aber da ihm das nicht bewusst wurde, spielte es keine Rolle.
Hypnos ist nicht sein Gott, denn er schlief nicht, und es gab definitiv keine Träume, die ihn quälen oder vielleicht seine Qualen hätten mildern können. Träume erfordern das Vorhandensein von Personen und Ereignissen, und sind solche nicht vorhanden, kann man zur Not mit nicht vernunftbegabten Tieren oder toten Dingen wie einer grünen Reuse, sogar einer, die die falsche Farbe hat, oder vielleicht einem Schlitten, mit dem man als Kind gefahren ist, vorliebnehmen, aber vor allen Dingen erfordern Träume ein Bewusstsein,
zu dem sie sich verhalten können, und das fehlt Johansson.
Auch Thanatos hatte nichts zu melden, denn Johansson lebte, er atmete und sein Herz schlug aus eigener Kraft, wenn man einmal davon absah, dass Hilfsmittel nötig waren, um seinen Herzrhythmus zu stabilisieren, um seinen Blutdruck zu senken und um sein Blut zu verdünnen. Mittel, die seine Schmerzen linderten, ihn einschläferten und ihn beruhigten. Alle diese Nadeln, Drähte, Schläuche und Rohre, die man in und an seinem Körper befestigt hatte. Aber er lebte, und ob er sich bei Nyx in Nacht und Dunkelheit aufhielt, spielte keine Rolle, da er sich dessen nicht bewusst war. Das war auch gut so, da Nyx keine angenehme Frau ist, nicht einmal in mythologischer Hinsicht. Sie ist unter anderem auch die Göttin der Rache, aber welcher anständige Mensch könnte schon einen Groll gegen Lars Martin Johansson hegen?
Möglicherweise war es dann doch Hypnos, der ihm am nächsten stand. Auf Abbildungen aus der Antike ist er als junger Mann mit Mohnkapseln in der Hand zu sehen, und das zeigt zumindest, dass die alten Griechen ein Wissen besaßen, zu dessen Erlangung die Medizin und die internationale Drogenkriminalität noch weitere zweitausend Jahre brauchte. Und wäre Johansson bewusst gewesen, was tropfenweise in seine Venen infundiert wurde, dann hätte er sicher zustimmend genickt. Aber egal. Johansson war bewusstlos. Er war nicht tot, er schlief nicht, er träumte auch keinesfalls, an Nicken war nicht zu denken, und das mit Dunkelheit oder Licht spielte auch keine Rolle.
3
Mittwochnachmittag des 7. Juli 2010
Es begann wie ein ziehender Schmerz im Hinterkopf und eine Wahrnehmung von Licht, unklar wann oder warum, aber plötzlich erwachte er. Entdeckte, dass er in einem Bett lag und dass er auf seinem rechten Arm gelegen haben musste, denn dieser war eingeschlafen. Die Finger fühlten sich taub an, es fiel ihm schwer, seine Rechte zur Faust zu ballen. Neben seinem Bett saß eine Frau in weißem Kittel mit kurzgeschnittenem, blondem Haar. In ihrer großen Brusttasche steckte ein Stethoskop als weiteres Indiz dafür, wer sie war.
Was zum Teufel ist nur los?, dachte Johansson.
»Was ist los?«, sagte er zu der Frau in dem weißen Kittel.
»Ich heiße Ulrika Stenholm«, erwiderte die Frau und sah ihn mit zur Seite geneigtem Kopf an. »Ich bin die stellvertretende Oberärztin hier in der Karolinska-Universitätsklinik, und Sie liegen auf meiner Station. Als Allererstes möchte ich Sie fragen, ob Sie sich daran erinnern, wie Sie heißen?«
Sie lächelte und nickte ernst, dann hielt sie den Kopf gerade, als wolle sie ihre Frage abschwächen.
»Wie ich heiße?«, fragte Johansson. Was zum Teufel geht hier vor?, dachte er.
»Wie Sie heißen, ja. Erinnern Sie sich daran?«
»Johansson«, antwortete Johansson. »Ich heiße Johansson.«
»Und weiter?« Erneutes Nicken, noch ein freundliches Lächeln, der Kopf wurde zur anderen Seite geneigt, aber sie ließ ihn nicht in Ruhe.
»Johansson. Lars Martin Johansson«, antwortete Johansson. »Falls Sie auch noch meine Personenkennziffer wissen wollen, so habe ich einen Führerschein in meiner Brieftasche, und die trage ich immer in der linken Hosentasche. Was ist eigentlich passiert?«
Jetzt ein bedeutend breiteres Lächeln von der Frau neben seinem Bett.
»Sie liegen auf der
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