Der sterbende Detektiv - Roman
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Montagabend des 5. Juli 2010
Am Karlbergsvägen 66 in Stockholm liegt Günters , Schwedens beste Wurstbude. Umgeben von soliden Wohnhäusern aus Stein, die Anfang des vorigen Jahrhunderts erbaut wurden. Mauerwerk aus Ziegel, sorgfältig aufgebaut, Stein auf Stein, verputzte Fassaden, Erker und altmodische Sprossenfenster. Große Vorgärten und – zu dieser Jahreszeit — grüne Laubbäume, die die Straße flankieren. Betritt man die Häuser, finden sich Marmor, Wandgemälde, Stuckdecken und gelegentlich sogar Wandtäfelung in den Entrees und in den Treppenhäusern. Fußleisten und Türen sind aus Eiche. Das Viertel macht einen gediegenen und gepflegten Eindruck.
Außerdem liegt Günters in der Innenstadt der schönsten Hauptstadt der Welt, nur einige hundert Meter südlich des Schlosses Karlberg und der Karolinska-Universitätsklinik und in unmittelbarer Nähe der zwei großen Ausfallstraßen, die im Norden aus der Stadt führen.
Der ehemalige Chef des Reichskriminalamts Lars Martin Johansson hätte an diesem Tag eigentlich in seinem Sommerhaus in Roslagen sein sollen, aber am Morgen war er gezwungen gewesen, in die Stadt zu fahren, um mit seiner Bank den Kauf eines Waldgrundstückes zu besprechen, den er mit seinem ältesten Bruder zusammen getätigt hatte.
Nachdem dies nun einmal entschieden war, hatten sich wie sonst auch immer noch andere Erledigungen und Besorgungen privater und anderer Natur ergeben, die er praktischerweise genausogut sofort hinter sich bringen konnte. Die Liste der Besorgungen war rasch lang geworden, und als er endlich so weit war, zu seiner Frau und zum Sommerfrieden auf der Rådmansö zurückzukehren, war es fast acht Uhr abends gewesen und Johansson hungrig wie ein Wolf.
Nur wenige hundert Meter bevor er den Roslagstull erreicht hatte, um seine Fahrt nach Norden fortzusetzen, hatte ihn ein Mordshunger übermannt. Nie im Leben würde er es überleben, eine Stunde lang mit laut knurrendem Magen zu fahren. Daher machte er einen raschen Umweg zur besten Wurstbude Schwedens, um sich eine stark gewürzte jugoslawische Bratwurst mit åländischen Salzgurken, Sauerkraut und scharfem französischem Senf zu genehmigen. Vielleicht aber auch eine Zigeunerwurst, die nach frischgemahlenem Pfeffer, Paprika und Zwiebeln duftete? Oder sollte er seine norrländische Abstammung bejahen und eine leicht geräucherte Elchwurst mit Günters hausgemachtem Kartoffelbrei aus Mandelkartoffeln verspeisen?
In diese angenehmen Überlegungen vertieft, parkte er nur wenige Meter von der Bude entfernt direkt hinter einem Mannschaftswagen der Stockholmer Bereitschaftspolizei; genau wie dieser stand er halb auf dem Bürgersteig, als er ausstieg. Gewiss, er war seit drei Jahren im Ruhestand, trotzdem nahm er sich die Freiheit heraus, praktisch und gut zu parken, nicht zuletzt für den übrigen Verkehr. Gewisse Gewohnheiten, die er sich in den fast fünfzig Jahren als Polizist zugelegt hatte, steckten ihm einfach in den Knochen.
Ein warmer, sonniger Tag Anfang Juli, ein Abend, der ebenso warm war, wie der Tag es gewesen war, alles andere als ein typisches Wurstwetter, und wahrscheinlich war das die Erklärung, warum die ganze Schlange vor der Bude aus nur vier jüngeren Kollegen der Stockholmer Bereitschaftspolizei bestand. Ehemalige Kollegen, wenn man genau sein wollte, aber wiedererkannt wurde er trotzdem. Nicken, Lächeln, und der Rangoberste mit Bürstenschnitt salutierte mit der Rechten, obwohl seine Uniformmütze im Gürtel steckte.
»Alles in Ordnung, Jungs?«, fragte Johansson, der seine Wahl getroffen hatte, als ihm die himmlischen Düfte entgegenströmten. Mit der Elchwurst hatte es bis zum Herbst Zeit. Die rauchigen, harmonischen Geschmacksnuancen und norrländisches Phlegma in allen Ehren, doch ein Abend wie dieser verlangte nach etwas Stärkerem, aber nicht zu starkem, nicht vom südlichen Balkan. Paprika, Zwiebeln, Pfeffer und leicht gepökeltes, grobes Schweinehack waren perfekt, und im Hinblick auf das Wetter und seine Gemütsverfassung konnte es gar nicht besser werden.
»Alles ruhig, wir wollten noch mal ordentlich futtern, bevor das Chaos ausbricht«, meinte der Rangoberste. »Sie können vorgehen, Chef, wenn Sie wollen. Wir haben es nicht eilig.«
»Ich bin im Ruhestand«, antwortete Johansson aus irgendeinem Grund. »Ihr müsst ja noch arbeiten. Wer will sich schon mit leerem Magen mit dem Gesindel rumschlagen?«
»Wir überlegen noch.« Der Rangoberste nickte lächelnd. »No
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