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Der Tag an dem ich erwachte

Der Tag an dem ich erwachte

Titel: Der Tag an dem ich erwachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilia Miller
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Erfolge damit erzielt“, lächelte er unübersehbar stolz. „Der Gedanke, der dahinter steckt, ist, die Anzahl der Bezugspersonen für meine Patienten weitgehend zu reduzieren. Wenn man sich in einer kritischen Situation befindet, ist es sehr wichtig, jemandem vertrauen zu können. Und zwar voll und ganz. Zu viele Menschen, die ständig um einen herumscharwenzeln, wirken nur irritierend.“
    „Das finde ich gut, Doktor“, lächelte ich zögernd. „Nach allem, was ich seit meinem Erwachen mitbekommen habe, kann man meine Situation wahrhaftig als kritisch bezeichnen. Und ich lege tatsächlich keinen Wert darauf, von vielen Menschen umgeben zu sein.“
    „Nennen Sie mich Ryan!“, forderte er mich freundlich auf.
    „Gern, Ryan“, schmunzelte ich und ließ mir seinen Namen auf der Zunge zergehen wie eine n Schluck Champagner.
    „Während der letzten Woche wurde Ihnen per Infusion Flüssignahrung verabreicht. Haben Sie Hunger?“, erkundigte er sich zuvorkommend, „haben Sie Appetit auf ein richtiges Essen?“
    „Ich sterbe vor Hunger!“, gab ich zu, als mir bewusst wurde, dass ich tatsächlich hungrig war.
    „Ich bringe Ihnen etwas zu essen“, sagte er und ging zur Tür, drehte sich um und lachte: „Ja nicht abhauen, ich bin gleich wieder da!“
    „Das war ein wirklich geschmackloser Scherz, Doktor… Ryan!“, fauchte ich ihn an, und er entschuldigte sich sofort.
    „Da haben Sie recht, mein schwarzer englischer Humor hat mir schon genug Feinde eingebracht, aber ich kann bedauerlicherweise genauso wenig darauf verzichten wie auf ein Glas guten englischen Whiskey jeden Abend, bevor ich einschlafe. Bis gleich, meine Liebe!“
    In wenigen Minuten kam er mit einem Tablett zurück, auf dem ein Teller, eine Tasse, ein Glas und eine Flasche Mineralwasser standen. „Das Besteck habe ich doch glatt vergessen!“, entschuldigte er sich und verließ schon wieder mein Zimmer. Ich schnupperte an dem Dampf, der aus dem Teller emporstieg und meine Geruchsnerven angenehm kitzelte. Gleichzeitig hörte ich meinen Magen laut knurren. Ich setzte mich in meinem Bett auf und wartete geduldig auf Ryan. Es hatte höchstens eine Minute gedauert, bis er, bewaffnet mit dem Besteck, wiederkam, doch ich empfand es wie eine Ewigkeit. Derweil fragte ich mich, wieso ich ein so bedrohliches Wort wie „bewaffnet“ mit einem so harmlosen Wort wie „Besteck“ verband. Schon wieder läutete diese komische Alarmglocke in meinem Kopf, die mir Ohrenschmerzen verursachte und mich daran hinderte, meinen beunruhigenden Fragen auf den Grund zu gehen.
    „Heute gibt es nur eine Gemüse cremesuppe und zum Nachtisch eine Tasse Kakao“, sagte Ryan entschuldigend. „Ihr Magen muss sich nach und nach wieder an die feste Nahrung gewöhnen“, erklärte er mir. „Doch trinken dürfen Sie so viel und so oft, wie Sie wollen. In Ihrem Nachtschränkchen befindet sich eine weitere Flasche Wasser, und sobald Sie diese ausgetrunken haben, betätigen Sie bitte diesen Knopf, dann kommt die Nachtschwester und bringt Ihnen eine neue.“
    „Darf ich endlich mit dem Essen anfangen?“, fragte ich ungeduldig.
    „Aber natürlich, meine Liebe, tun Sie sich ja keinen Zwang an!“
    „Ist es denn nötig, dass Sie mich dabei die ganze Zeit anstarren?“
    „Soll ich lieber draußen warten?“, schlug er vorsichtig vor. Doch es war bereits zu spät, ich schnappte mir den Löffel und machte mich an die pürierte Gemüsesuppe so gierig heran, als hinge mein Leben davon ab. Ich verschluckte mich und hustete, dann klopfte Ryan mir fürsorglich auf den Rücken. Ich rülpste laut, doch anstatt mich für dieses peinliche Missgeschick zu schämen, aß ich einfach weiter, bis der Teller vollkommen leer war. Danach widmete ich mich der Tasse mit dem heißen, cremigen Kakao.
    „Machen Sie lieber eine Pause vor dem Nachtisch“, warnte mich Ryan, als ich bereits die Reste der köstlichen Flüssigkeit mit der Zunge aufleckte. Plötzlich fühlte ich mich müde und vollkommen erschöpft, meine Augenlider wurden schwer und fielen wie von allein zu, als hätte ich keine Kontrolle mehr über sie. Ich versuchte, wach zu bleiben, doch es wollte mir einfach nicht gelingen.
    „Kämpfen Sie nicht dagegen an, meine Liebe“, hörte ich Ryans sanfte Stimme, „schlafen Sie sich ruhig aus. Morgen sehen wir uns wieder. Gute Nacht!“
    Ich nahm noch entfernt wahr, wie er mich zudeckte, bevor ich in einen traumlosen Schlaf fiel.

2. Der Tag nach dem Tag, an dem ich erwachte

    Mein Kopf war

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