Der Teufel trägt Prada
Verantwortung zu übernehmen hatte (wie zum Beispiel die, ein San Pellegrino perfekt einzuschenken!). Ich selbst war schließlich auch nie ein Kind von Traurigkeit gewesen. Wie viele Zweiergelage wir gefeiert hatten, bei denen einiges an Rotwein niedergemacht wurde. Nach der Examensfete hatte Lily mich getröstet, während ich kopfüber über dem Klo hing. Nach einem Abend, von dem mir nicht viel mehr als acht Rum-Colas und eine grauenvolle Karaokeversion von »Every Rose has its Thorn« in Erinnerung geblieben war, hatte sie mich heil nach Hause gefahren und unterwegs viermal angehalten, weil ich reihern musste. An ihrem 21. Geburtstag hatte ich sie in mein Bett gepackt und alle zehn Minuten nachgesehen, ob sie noch atmete, bis ich übermüdet auf dem Fußboden eingeschlafen war. Zweimal war sie in dieser Nacht noch aufgewacht. Einmal, weil ihr wieder übel wurde, und das andere Mal, um mir zu sagen, dass ich der beste Kumpel sei, den man sich nur wünschten könnte. Und dafür hatte man schließlich Freunde, dass man zusammen becherte, irgendwelchen Mist baute und aufeinander aufpasste. Oder nicht? Waren das alles nur College-Rituale,
die man zu absolvieren hatte? Alex war überzeugt gewesen, dass es diesmal anders war, kein harmloser Exzess. Aber ich konnte es einfach nicht so sehen.
Eigentlich hätte ich sie in dieser Nacht nicht allein lassen dürfen, aber es war fast zwei Uhr morgens. Und ich musste in fünf Stunden wieder im Büro sein. Meine Klamotten stanken nach Erbrochenem, und in Lilys Kleiderschrank hätte ich garantiert kein Teil gefunden, das ich zur Arbeit anziehen konnte – schon gar nicht, seit ich in die Prada-Liga aufgestiegen war. Ich seufzte, deckte sie zu und stellte ihr den Wecker auf sieben Uhr, nur für den Fall, dass sie bis dahin wieder so weit bei sich war, um es noch rechtzeitig in die Uni zu schaffen.
»Ciao, Lil. Ich gehe dann. Alles okay?« Ich legte ihr das schnurlose Telefon aufs Kopfkissen.
Sie machte die Augen auf, sah mich an und lächelte. »Danke«, murmelte sie und war auch schon wieder weggedöst. An einem Marathon hätte sie in ihrem Zustand zwar nicht teilnehmen können und einen Motorrasenmäher hätte ich ihr vermutlich auch nicht anvertraut, aber ansonsten fehlte ihr nichts, was ein gesundes Schläfchen nicht heilen konnte.
»Gern geschehen.« Ich war echt am Ende. 21 Stunden am Stück, in denen ich mir für andere den Arsch aufgerissen hatte. »Wir telefonieren morgen«, sagte ich und schleppte mich mit letzter Kraft zur Tür. »Falls wir bis dahin noch leben.« Und dann konnte ich endlich, endlich nach Hause.
10
»Hey, gut, dass ich dich erwische!« Cara war am Telefon. Wieso klang sie morgens um Viertel vor acht schon so außer Atem?
»Äh, ja. Ist was passiert, dass du auf einmal so früh anrufst?« Beim Reden spulte ich innerlich ein halbes Dutzend Szenarien ab: Was mochte Miranda wohl diesmal dringend brauchen?
»Nein, nein, keine Sorge. Ich wollte dich nur vorwarnen: Mr. BTB ist im Anmarsch und freut sich heute offenbar ganz besonders auf ein Schwätzchen mit dir.«
»Ach was, das ist aber schön. Ist ja immerhin schon fast eine Woche her, seit er mich über mein Leben im Allgemeinen und Speziellen ausgequetscht hat. Ich hab mir schon Sorgen gemacht, ob meinem größten Fan wohl irgendwas zugestoßen ist.« Ich war fertig mit der Aktennotiz und ließ sie ausdrucken.
»Du kannst dich glücklich schätzen, weißt du das eigentlich? Von mir will er überhaupt nichts mehr wissen.« Jetzt trug sie aber mächtig dick auf. »Er hat nur noch Augen für dich. Soviel ich gehört habe, will er die Details der Party im Met mit dir durchgehen.«
»Super, gaaanz toll. Bin schon tierisch gespannt auf sein Bruderherz. Bisher kenne ich ihn ja nur vom Telefon, und da hat er immer bloß Schwachsinn verzapft. Also was jetzt – bist du sicher, dass BTB zu mir unterwegs ist? Ist denn kein freundlicher Geist da oben im Himmel, der für heute Gnade walten lässt?«
»Nix, diesmal gibt es kein Entkommen. Miranda hat um halb
neun einen Termin bei ihrem Fußspezialisten, also wird er wohl solo aufkreuzen.«
Ich nahm mir die Eintragungen in Emilys Terminkalender vor. Tatsächlich, ein Miranda-freier Vormittag. »Fantastisch. Was kann ein Mädchen sich Schöneres wünschen, als schon in aller Herrgottsfrühe mit BTB zum geselligen Teil überzugehen. Warum quatscht der Kerl eigentlich so viel?«
»Das liegt doch wohl auf der Hand: Wer Miranda heiratet, kann einfach nicht ganz
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