Der Teufel trägt Prada
falls es irgendwie sonst noch was gibt, was ich oder einer von den anderen hier tun kann, dann rufen Sie einfach an, ja? Wir sind alle große Bewunderer von Miranda, und wir würden, äh, gern helfen, wo wir nur können.«
Man hätte meinen können, die First Lady der Vereinigten Staaten wäre soeben an die verkappte Modemaus im Redaktionsarchiv mit dem Ansinnen herangetreten, für den Präsidenten einen Artikel mit entscheidenden Informationen bezüglich eines unmittelbar bevorstehenden Kriegs herauszusuchen – und nicht etwa irgendeine Besprechung irgendeines Restaurants in irgendeiner Zeitung. Das Traurigste daran war: Ich hatte von Anfang an gewusst, dass sie zu Kreuze kriechen würde.
»Okay, ich richte es aus, ganz bestimmt. Recht herzlichen Dank.«
Emily sah von einer weiteren Spesenabrechnung auf und fragte: »Wieder kein Glück?«
»Null. Mir ist schleierhaft, wovon sie redet, und dem Rest der Stadt offenbar auch. Ich habe von jeder Zeitung in Manhattan, die sie liest, jemanden am Apparat gehabt, habe im Internet gesucht, mit Leuten vom Archiv, mit Restaurantkolumnisten und mit Köchen gesprochen. Kein einziger kann sich erinnern, dass in der letzten Woche ein entsprechendes Asien-Restaurant aufgemacht hätte, geschweige denn innerhalb der letzten 24 Stunden besprochen worden wäre. Sie hat sie ganz einfach nicht mehr alle. Und was jetzt?« Ich ließ mich wieder auf den Stuhl fallen und band mein Haar zum Pferdeschwanz zusammen. Noch nicht mal neun Uhr morgens, und die Kopfschmerzen strahlten schon bis in Hals und Schultern aus.
»Ich schätze«, teilte sie mir gemessen mit, »du wirst bei ihr nachfragen müssen.«
»O nein, bloß nicht! Wie wird sie nur reagieren?«
Wie üblich prallte mein Sarkasmus an Emily wirkungslos ab. »Sie kommt gegen Mittag. Ich an deiner Stelle würde mir vorher genau überlegen, was ich sage, denn sie wird ungemütlich werden, wenn du die Besprechung bis dahin nicht hast. Vor allem, nachdem du schon seit gestern Abend davon weißt«, rieb Emily mir mit kaum verhohlenem Lächeln unter die Nase. Sie freute sich offensichtlich diebisch auf die Abreibung, die mir bevorstand.
Außer Warten blieb mir nicht viel zu tun. Zu meinem Glück – oder auch nicht – absolvierte Miranda derzeit die allmonatliche Marathonsitzung bei ihrem Seelenklempner (»Sie hat einfach nicht die Zeit, jede Woche extra da rüberzufahren«, lautete Emilys Erklärung auf meine Frage, warum sie sich drei Stunden am Stück antat): der einzige Block des gesamten 24-Stunden-Tags, in dem sie garantiert nicht bei uns anrufen würde – und ich genau das natürlich eben jetzt hätte brauchen können. Der Berg von ungeöffneter Post, der sich in den letzten
zwei Tagen auf meinem Schreibtisch angesammelt hatte, war akut vom Einsturz bedroht und würde sich im Fall des Falles auf die Schmutzwäsche ergießen, die ebenfalls seit zwei Tagen darauf wartete, von meinen Füßen weg zur Reinigung zu kommen. Ein Riesenseufzer, um alle Welt wissen zu lassen, wie dreckig es mir ging, dann wählte ich die Nummer der Saubermänner.
»Hi Mario, ich bin’s. Ja, weiß schon – lange nichts mehr hören lassen. Schickt ihr mir bitte jemanden zum Abholen? Super. Danke.« Ich legte auf und zwang mich, mir ein paar Teile auf den Schoß zu laden, durchzusortieren und auf der entsprechenden Computerliste unter »Ausgang« zu vermerken. Wenn Miranda abends um Viertel vor zehn anrief und wissen wollte, wo sich ihr neues Chanel-Kostüm befand, musste ich lediglich das Dokument öffnen, um ihr mitzuteilen, dass es gestern hinausgegangen war und morgen zurückerwartet wurde. Ich tippte die Ladung für heute ein (eine Bluse von Missoni, zwei identische Hosen von Alberta Ferretti, zwei Pullover von Jil Sander, zwei weiße Schals von Hermès und ein Burberry-Trenchcoat), stopfte sie in eine Einkaufstüte mit dem Logo von Runway und ließ sie von einem Boten nach unten bringen, wo die Reinigungsfuzzis sich ihrer annehmen würden.
Was war ich doch gut! Obwohl ich es nun wirklich oft genug machen musste, fand ich es nach wie vor widerlich, in anderer Leute schmutziger Wäsche herumzuwühlen. Nach dem täglichen Sortieren und Eintüten rochen meine Hände immer durchdringend nach Miranda – eine Mischung aus Bulgari und Feuchtigkeitslotion, gelegentlich angereichert mit einer Brise Zigarettenrauch von BTB und insgesamt gar nicht mal so unangenehm – trotzdem wurde mir regelmäßig schlecht davon, bis ich es abgewaschen hatte. Britischer
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