Der Teufel trägt Prada
hehren, idealistischen Ziele. Im Gegenteil, ich hatte es mir in den Kopf gesetzt, für eine Zeitschrift zu arbeiten, und zwar nicht für irgendeine, sondern für den renommierten New Yorker . Und obwohl ich mir denken konnte, dass man in der Redaktion nicht gerade auf mich warten würde, war ich fest entschlossen, es bis zum fünften High-School-Klassentreffen geschafft zu haben. Für den New Yorker zu schreiben, war schon immer mein größter Wunsch gewesen. Das erste Heft hatte ich mir gekauft, nachdem sich meine Eltern einmal über einen besonders gelungenen Artikel unterhalten hatten. Meine Mutter: »Eine derart intelligente Schreibe findet man heute nirgends mehr.« Mein Vater: »Etwas Scharfsinnigeres gibt es nicht.« Ich war sofort hin und weg gewesen. Die peppigen Rezensionen und die witzigen Cartoons hatten mich regelrecht vom Hocker gerissen. Hinzu kam das Gefühl, einem erlesenen Zirkel anspruchsvoller Leser anzugehören. Seit nunmehr sieben Jahren hatte ich keine Ausgabe mehr verpasst, und ich kannte die Namen aller Redakteure und Autoren in- und auswendig.
Alex und ich standen also beide an der Schwelle zu einem
neuen Lebensabschnitt. Trotzdem hatten wir es nicht eilig, wieder nach Hause zu kommen. Irgendwie spürten wir wohl, dass dies unsere letzten unbeschwerten Tage sein würden, bevor uns die Wirklichkeit gnadenlos beim Schopf zu packen bekam, und so verlängerten wir in Delhi unsere Visa, um noch ein paar Wochen länger durch das exotische Indien zu reisen.
Eine Schnapsidee, wie sich zeigen sollte. Nichts ist tödlicher für die Romantik als eine Amöbenruhr. Eine Woche lang litt ich, von Alex liebevoll gepflegt, in einer dreckigen indischen Herberge vor mich hin, bis ich mich geschlagen gab und wir den Rückflug antraten. Nachdem meine Mutter mich am Flughafen auf den Rücksitz des Autos gepackt hatte, hörte sie auf der gesamten Fahrt nach Hause nicht mehr auf, mit dem Kopf zu schütteln. Auf eine gewisse Weise war der Traum einer jeden jüdischen Mutter nun auch für sie wahr geworden. Sie hatte einen Grund, mit mir von Arzt zu Arzt zu Arzt zu ziehen, um ganz sicherzugehen, dass sich auch nicht mehr der mickrigste Parasit in ihrem Töchterlein versteckt hielt. Es dauerte vier Wochen, bis ich wieder das Gefühl hatte, zu den Lebenden zu gehören, und zwei weitere, bis mir dämmerte, dass ich es zu Hause nicht mehr aushielt. Mom und Dad waren fantastisch, aber jedes Mal gefragt zu werden, wo ich hin wollte, wenn ich das Haus verließ, war auf die Dauer ätzend. Ich rief meine Freundin Lily an und fragte sie, ob sie mich in ihrem Miniapartment in Harlem aufnehmen würde. Aus reiner Herzensgüte sagte sie ja.
Schweißgebadet wachte ich in Lilys winziger Bude auf. Mir brummte der Schädel, der Magen grummelte, jeder Nerv war bis zum Äußersten gereizt. O nein, nicht schon wieder! , dachte ich entsetzt. Die Parasiten sind zurück, und ich werde sie bis an mein Lebensende nicht mehr los! Und wenn es womöglich etwas noch viel Schlimmeres war? Vielleicht hatte ich mir eine seltene, verzögert auftretende Form des Denguefiebers eingefangen? Oder Malaria? Oder gar Ebola? Still und starr lag ich da und bereitete
mich innerlich schon auf mein baldiges Ableben vor, als plötzlich Bilder der vergangenen Nacht vor mir aufstiegen. Eine verräucherte Kneipe irgendwo im East Village. Ein infernalisches Geschepper, das sich Jazz Fusion Musik nannte. Ein knallrosa Cocktail in einem Martiniglas – igitt! Nur nicht daran denken. Freunde und Bekannte, die vorbeikamen, um mich in der Heimat zu begrüßen. Ein Trinkspruch, ein Pinkschluck, noch ein Trinkspruch. Gott sei Dank, es war weder Gelb-, Fleck- noch Schwarzwasserfieber, sondern bloß ein ganz ordinärer Kater. Ich hatte nicht daran gedacht, dass ich nach der überstandenen Ruhr mit zehn Kilo weniger auf den Rippen wohl nicht mehr ganz so viel Alkohol vertragen konnte wie vorher. Knapp 52 Kilo bei einer Körpergröße von 1,75 m verhießen für eine Nacht auf der Piste nichts Gutes (auch wenn sich im Nachhinein herausstellen sollte, dass diese Werte für einen Job bei einer Modezeitschrift idealer nicht hätten sein können).
Tapfer entfaltete ich auf Lilys Knochenbrechercouch, auf der ich seit einer Woche schlief, die schmerzenden Glieder und konzentrierte meine ganze Energie darauf, mich nicht zu übergeben. Sich wieder an Amerika zu gewöhnen – das Essen, die Umgangsformen, die herrlichen Duschen – war nicht allzu schwierig gewesen. Bloß das
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