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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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arbeitete ich, wie jeden Tag seit meinem siebzehnten Lebensjahr, an der Bar in »Nick’s Austernkeller«. Der kantige Lichtstrahl, der oben an der Treppe durch die Türöffnung fiel, lötete den Schmutz im Plankenboden fest. Ich mag den Juli, ich mag es, wie er sein besonderes Blau über die Welt ergießt, damalszum Beispiel, als ich mit zwölf auf einer Staten-Island-Fähre arbeitete, den Kopf hoch, den Mund voll mit einer frischen salzigen Meeresbrise. Aber 1845 war ein schlechter Sommer. Die Luft war hefig und feucht wie in einem Brotbackofen um elf Uhr morgens und hinterließ einen unangenehmen Geschmack am Gaumen. Ich versuchte, den auf der Stadt lastenden Geruch von Fieberschweiß und den Gestank des verendeten Karrengauls, den man halb in die Gasse um die Ecke gezerrt hatte, zu ignorieren, zumal es mir so vorkam, als werde das Tier allmählich immer toter. Angeblich soll es Müllmänner geben in New York, doch das ist nur so eine Legende. Meine Ausgabe des Herald lag aufgeschlagen da, ich hatte sie wie jeden Morgen bereits von hinten nach vorne durchgelesen. In selbstzufriedenem Ton war darin vermerkt, das Thermometer stünde auf fast siebenunddreißig Grad Celsius und traurigerweise seien noch ein paar Arbeiter an Herzschlag gestorben. Das alles machte zusehends die gute Meinung zunichte, die ich immer vom Juli gehabt hatte. Doch ich konnte es mir nicht leisten, mir die Laune vergällen zu lassen. Nicht an jenem Tag.
    Mercy Underhill, da war ich mir sicher, würde in Kürze meiner Bar einen Besuch abstatten. Sie war jetzt seit vier Tagen nicht mehr hier gewesen, das war, gemäß unseren unausgesprochenen Gewohnheiten, ein Rekord, und ich musste mit ihr reden. Oder es zumindest versuchen. Ich hatte vor kurzem beschlossen, mich von der Tatsache, dass ich sie glühend verehrte, nicht abhalten zu lassen.
    Das Nick’s war ganz in der für Lokale dieser Art üblichen Weise eingerichtet, und gerade dass es so vollkommen typisch war, gefiel mir sehr. Es gab einen langen Tresen, breit genug für die Servierplatten aus Zinn für die Austern und die Dutzende von Gläsern für Bier, Whiskey oder Gin. Es war immer recht dunkel, denn das Lokal lag im Souterrain. Aber an Tagen wie diesem schien vormittags die Sonne so wunderschön herein, dass wir vorerst auf die Öllampen mit den gelben Lampenschirmen verzichten konnten, die auf dem Putz freundliche Rauchzeichennach oben schickten. Es gab kaum Möbel, nur eine Reihe von Sitznischen mit nackten Holzbänken an den Wänden, mit Vorhängen, falls das gewünscht wurde, auch wenn die nie jemand zuzog. Das Nick’s war kein Ort für Geheimnisse. Es war ein Forum für die wilden jungen Spekulanten, ein Ort, an dem sie sich nach einem Zwölf-Stunden-Tag an der Aktienbörse durch den ganzen Raum Witze zubrüllen konnten, während ich ihnen zuhörte.
    Ich stand am Tresen und zapfte eine Gallone Whiskey für einen rothaarigen Bengel, den ich nicht kannte. Am Ufer des East River wimmelte es nur so von rachitischen ausländischen Gestalten, die sich im neuen Land durchzuschlagen versuchten, und das Nick’s lag in der New Street, ganz nah am Wasser. Der Junge wartete mit zur Seite gelegtem Kopf, die kleinen Krallen auf der Zedernholzplatte des Tresens. Er wirkte wie ein Spatz. Zu groß für einen Achtjährigen, zu ängstlich für einen Zehnjährigen. Hohlknochig, der glasige Blick ständig auf der Suche nach kostenlosen Abfällen.
    »Ist das für deine Eltern?« Ich wischte mir die Finger an der Schürze ab und verkorkte den irdenen Krug.
    »Für Dad.« Er zuckte die Achseln.
    »Macht achtundzwanzig Cent.«
    Eine Hand verschwand in der Hosentasche und brachte ein wildes Sammelsurium verschiedener Währungen zum Vorschein.
    »Zwei Shilling sind genug, ich nehm mir die zwei da und heiße dich willkommen. Mein Name ist Timothy Wilde. Ich betrüge nicht beim Zapfen und versetze meine Ware nicht mit Wasser.«
    »Dankeschön«, sagte er und griff nach dem Krug. Da fiel mir auf, dass er Sirupflecken unten an den Ärmeln seines zerlumpten Hemdes hatte, wahrscheinlich weil das letzte Melassefass, aus dem er sich bedient hatte, zu hoch für ihn gewesen war. Mein jüngster Kunde war also ein Zuckerdieb. Interessant.
    Das ist wohl typisch für Leute, die eine Schankwirtschaft führen:Mir fallen ziemlich viele Dinge an den Menschen auf. Was wär ich auch für ein lausiger City-Barkeeper, wenn ich nicht eine irische Hafenratte aus Sligo mit einer Karriere im Melasseschmuggel vom Sohn eines

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