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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lyndon
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bitte nehmt uns mit in Eure Unterkunft.
Duc nos in cellam tuam, domine, quaeso

    Bruder Cuthbert führte sie durch eine Felsrinne zwischen den Klippen hinauf und um Hindernisse herum, die in der Dunkelheit nicht zu sehen waren. Die Nacht war so pechschwarz, dass sich Richard an Heros Ärmel klammerte. Sie umrundeten Felsnasen, und schließlich blieb Cuthbert stehen.
    «Wir sind da.
Intrate.
Kommt herein, kommt herein.»
    Hero stellte fest, dass die Klause des Einsiedlers eine Erdhöhle war, die von einem Stück Segeltuch am Eingang vor den Unbilden des Wetters geschützt war. Als er seinen Kopf in die Höhle steckte, musste er würgen, solch ein Gestank empfing ihn. Es roch nach verwesenden Ratten unter einem feuchten Sack.
    Richard schlug sich die Hand vor den Mund. «Urgh!»
    «Sch. Denk an die Reinheit seiner Seele.»
    Ein paar Kohlestücke glommen schwach vor sich hin. Hero und Richard setzten sich auf die eine Seite des Feuers, Cuthbert auf die andere.
    «Ihr seid der erste Besuch, den ich seit Ostern empfange», sagte Cuthbert über das Feuer hinweg. «Wer von euch spricht so glänzendes Latein? Seid ihr auf einer Pilgerfahrt nach Lindisfarne gekommen?»
    «Ja, in gewisser Hinsicht sind wir Pilger. Wir sind auf dem Weg in den hohen Norden.»
    «Um das Wort Gottes zu verbreiten?»
    «Nein, wir sind auf einer Handelsreise.»
    Hero sprach auf Latein und musste für Richard übersetzen. Der junge Normanne fühlte sich unwohl.
    «Bitte ihn darum, die Lampe anzuzünden.»
    Cuthbert jedoch lehnte bedauernd ab. «Ich habe nur noch wenig Öl übrig. Dennoch gibt es Licht an diesem Ort – ein Licht, das hell genug ist, um auch die dunkelste Nacht zu erleuchten.»
    «Erzählt uns von Eurer Insel», sagte Hero.
    Cuthbert berichtete, wie Sankt Aidan im zwölften Jahrhundert das Christentum nach Northumbrien gebracht und das Kloster auf Lindisfarne gegründet hatte. Im Jahr der Klostergründung war auch Cuthberts heiliger Namenspatron geboren worden. Nach zehn Jahren Missionsarbeit hatte sich der heilige Cuthbert in eine Einsiedelei auf Inner Farne zurückgezogen – einer der seeumtosten Inseln, an denen sie vorbeigesegelt waren. Von Papst und König darum gebeten, erklärte sich der heilige Cuthbert zögernd bereit, zum zweiten Bischof von Lindisfarne zu werden, doch nach zwei Jahren ging er zum Sterben zurück in seine Einsiedelei. Elf Jahre später sollte Cuthberts Leichnam umgebettet werden, und die Mönche, die seinen Sarg öffneten, fanden ihn vollkommen unverwest vor. Die Nachricht von diesem Wunder zog ganze Pilgerscharen zum Schrein des heiligen Cuthbert. Dann aber plünderten die Wikinger das Kloster, und die überlebenden Brüder brachten den Leichnam Sankt Cuthberts aufs Festland und errichteten ihm im Kloster von Durham einen neuen Schrein.
    Mehrere Male wurde Cuthbert bei seiner Erzählung von heftigen Hustenanfällen unterbrochen. Hero fand seine röchelnde Atmung genauso beunruhigend wie den Gestank in der Klause.
    «Ihr seid krank», sagte er. «Ihr solltet ein Hospiz aufsuchen.»
    «Wenn es für mich Heilung gibt, dann finde ich sie hier durch dieselbe göttliche Macht, die Cuthberts Fleisch nach seinem Tod vor dem Verfall bewahrt hat.»
    «Was sagt er da?», flüsterte Richard.
    Hero hatte aufgehört zu übersetzen. Er begann zu frieren. «Wenn die Reliquien des Heiligen Eure Leiden heilen können, solltet Ihr nach Durham gehen, wo sein Körper bestattet ist.»
    Cuthbert wurde erneut von würgendem Husten geschüttelt und schluckte Schleim hinunter. «Meine Ordensgemeinschaft hat mich ausgestoßen.»
    Hero fasste sich an die Kehle. Er hatte solch einen quälenden Husten schon früher einmal gehört.
    «Zündet Eure Lampe an. Wir haben Euch Geschenke mitgebracht. Auch Lampenöl.»
    Cuthbert blies auf die glimmenden Kohlen und entzündete ein paar miteinander verdrehte Strohhalme daran. Die Flamme versengte ihm die Hand, als er den Fidibus an den Docht hielt, doch er zuckte nicht einmal zusammen. Schatten krochen an den Wänden hinauf. Cuthbert stellte die Lampe auf den Boden und hockte sich, den Kopf unter der Kapuze gesenkt, daneben. Hero nahm die Lampe auf.
    «Zeigt uns Euer Gesicht.»
    «Diesen Anblick will ich euch lieber ersparen.»
    «Ich fürchte mich nicht davor. Ich weiß, woran Ihr leidet.»
    Langsam hob Cuthbert den Kopf. Hero atmete heftig ein. Die Augen des Einsiedlers blinzelten klein zwischen schuppiger Haut voller Knötchen hervor. Die Hälfte der Nase war abgefault, von einem Infekt

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