Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad
Prolog
Ich war allein. Gefangen in völliger Dunkelheit. Er war nicht hier. Trotz der Finsternis hätte ich seine Anwesenheit bemerkt. Hätte ihn gerochen oder seinen Atem gespürt. Hatte ich geschlafen oder war ich nur kurz ohnmächtig gewesen?
Ich blinzelte in die Schwärze. Bemerkte, dass meine Augen nicht mehr zugebunden und meine Knöchel nicht mehr gefesselt waren. Fast wäre ich vor Freude aufgesprungen. Doch meine Freude währte nicht lange. Meine Beine waren steif. Vorsichtig stand ich auf. Fiel fast hin. Ungeduldig wartete ich, bis das Blut in meinen Adern zu fließen begann und ich meine Beine wieder spüren konnte.
Über mir erklang ein dumpfes monotones Geräusch. Oder kam es von nebenan? Ich lauschte. Zählte die Sekunden. Zählte von eins bis sechzig. Die Minuten schienen so schneller zu vergehen. Das merkwürdige Geräusch hielt an.
Ich bekam kaum Luft. Atmete durch die Nase und versuchte mit der Zunge den Knebel zu lockern. Der ekelige Fetzen gab keinen Millimeter nach. Vorhin war der Fetzen feucht gewesen. Nun war er staubtrocken. Ich hatte keinen Speichel mehr. Entweder würde ich verdursten oder ersticken.
Verzweifelt versuchte ich meine Hände, die am Rücken gefesselt waren, freizukriegen. All mein Ziehen und Zerren war fruchtlos. Die Schnur schnitt nur schärfer in die weiche Haut über meinen Gelenken. Als ich warmen klebrigen Saft auf meinen Händen spürte, wollte ich schreien.
Kein Ton kam mir über die Lippen. Ich geriet in Panik. Bekam überhaupt keine Luft mehr. Bemühte mich, langsam und regelmäßig durch die Nase zu atmen. Tränen liefen über meine Wangen. Ich hoffte, die salzigen Tropfen würden meine aufgesprungenen Lippen erreichen. Vergeblich.
Ich versuchte wieder zu gehen. Stolperte, und taumelte gegen eine Wand. Schlug mit der Stirn gegen kalten feuchten Stein. Blut tropfte auf meine Nase. Mir ekelte vor meinem eigenen Blut. Ich hatte das Gefühl, mich übergeben zu müssen. Auf einmal kam mir eine Idee. Ich tastete mit meinen nackten Zehen den Boden ab. Die dünne eiserne Stange, über die ich gestolpert war, schien in der Erde befestigt zu sein. Ich stieß sie mehrmals mit der Fußspitze an. Sie ließ sich nicht verschieben. Etwa einen halben Meter daneben befand sich eine zweite Stange. Ich machte ein paar vorsichtige Schritte. Plötzlich streifte etwas Weiches, Haariges meine Beine. Ich erstarrte. Mein Herzschlag setzte aus. Eine Ratte, oder gar ein Gespenst? Seit ich denken kann, hatte ich vor nichts mehr Angst als vor Gespenstern.
Das fremde Wesen rührte sich nicht. Ich trat einen Schritt zurück. Es schien mir nicht zu folgen. All meinen Mut zusammennehmend, näherte ich mich ihm wieder. Meine Brust berührte etwas Hartes. Geister und Gespenster sind körperlos, fiel mir gerade rechtzeitig ein, sonst wäre ich bestimmt erneut in Panik verfallen. Ich stupste das Ding mit meinem Knie an. Ein lautes Krachen. Was immer es gewesen war, jetzt lag es auf dem Boden und war offenbar außer Gefecht gesetzt.
Vorsichtig schritt ich, einen Fuß vor den anderen setzend, weiter mein Gefängnis ab, bis ich auf das nächste Hindernis stieß. Es fühlte sich glitschig und schwabbelig an. Mir ekelte. Doch ich riss mich zusammen und versuchte, auch diese Hürde mit einem Tritt aus dem Weg zu räumen. Es gab zwar nach, versperrte mir aber weiterhin den Weg. Klatschte zurück, wenn ich dagegentrat. Ich musste eine Pause machen und Atem holen.
Als ich meine Umgebung schließlich erkundet hatte, war ich nicht viel schlauer als vorher. Ich war in einem sehr schmalen, langen Raum eingesperrt, in einer Art Schlauch unter der Erde. Ich hatte eine hölzerne Leiter entdeckt und versucht, hinaufzusteigen, hatte mich mit meinem Kinn von Sprosse zu Sprosse weitergehantelt, bis ich mit dem Kopf an ein eisernes Gitter gestoßen war, das sich keinen Zentimeter bewegen ließ.
Ich überlegte. In diesem unterirdischen Raum befanden sich neben mir einige merkwürdige, leblose Dinge. Wurde ich in einem Käfig gefangen gehalten? Aber wofür waren die beiden langen Eisendinger am Boden gedacht?
Ich bildete mir ein, dass durch das Gitter ein schwacher Lichtschimmer in mein Gefängnis drang. Plötzlich spürte ich einen Luftzug. Erschrocken zuckte ich zusammen und stolperte zurück an das andere Ende des Raumes.
Sein höhnisches Lachen fuhr mir durch Mark und Bein. Er packte mich an meiner linken Schulter und schüttelte mich. Die Kerze hielt er so, dass ich sein Gesicht nicht sehen konnte. Ich wusste
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