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Der Tod im Eis

Der Tod im Eis

Titel: Der Tod im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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zurückwerfen. Wenn sie ihn überhaupt überstanden. Auch damit mußte man hier rechnen - daß jede Fahrt die letzte sein konnte.
    Bisher hatten Trimble Foxglove und Gideon Lavrakas mit der Ar-dent noch jedem Unwetter getrotzt. Foxglove hatte schon vor langem aufgehört, für jeden überstandenen Sturm eine Kerbe in die Reling zu schlagen. Weil zu befürchten war, daß er die Bordwand damit irgendwann ruiniert haben würde.
    Seit fast dreißig Jahren bildeten die beiden Inuit ein Team, ein Zwei-Mann-Unternehmen. Ihr Geschäft bestand darin, die Arbeiter und Mannschaften von weit abgelegenen Forschungscamps und Bohrinseln mit allem Lebensnotwendigen zu versorgen. Begonnen hatten Foxglove und Lavrakas damit Ende der sechziger Jahre, als in Alaska das Ölgeschäft boomte. Die Firmen hatten damals nur ihren Profit im Kopf gehabt; die Versorgung ihrer Arbeiter war ihnen erst in den Sinn gekommen, als man festgestellt hatte, daß es kaum Wege und Möglichkeiten der Nachschublieferung gab.
    Trimble Foxglove und Gideon Lavrakas hatten die Marktlücke damals erkannt und geschlossen, soweit es ihnen möglich gewesen war. Von ihrem eigenen Volk waren die beiden Inuit mit Verachtung gestraft worden, weil sie dem Naluaqmiu, dem weißen Mann, zuarbeiteten.
    Heute, nachdem ihr Geschäft seit Jahren mehr oder weniger florierte, wußten Foxglove und Lavrakas, daß ihre Entscheidung die richtige gewesen war. Denn ein Großteil ihrer Stammesbrüder und -schwestern lebte heute von der Sozialhilfe oder von dem wenigen, was die Natur ihnen noch zu geben bereit war. Ansonsten trauerten sie den Traditionen nach, die Zeit und Fortschritt verschlungen hatten.
    Jetzt waren sie mit der Ardent, dem Kutter, der ihnen seit Jahr und Tag treue Dienste leistete, unterwegs nach Icy Cape, wo amerikanische Wissenschaftler, die sich der Erforschung der verschiedenen Schichten der arktischen Eisdecke widmeten, auf frische Lebensmittel und technisches Gerät warteten.
    Foxglove sah erneut auf die Leiche hinab und seufzte schwer.
    In Icy Cape würden sie den Toten nicht lassen können. Sie mußten ihn mit zurück nach Barrow nehmen, um ihn dort den Behörden zu melden. Man würde dann versuchen, ihn zu identifizieren.
    »Verflucht, wenn nur das Wetter hält«, grummelte Trimble Fox-glove, doch es klang nicht annähernd so mißmutig, wie er es sich gewünscht hätte - sondern mehr ängstlich.
    Er wußte nicht, weshalb der Anblick des Toten ihm solches Unbehagen einflößte. Es war nicht die erste Wasserleiche, die er sah, und es war auch nicht die erste, die sie an Bord der Ardent hatten. Es lag auch nicht daran, daß feiner Dampf den bleichhäutigen Leichnam umwaberte wie Nebel. Das war ein normaler Vorgang, wenn steifgefrorene Leichen in der »Wärme« (die nur ein paar Grad über Null lag) der Kabine »auftauten«, und hatte nichts mit »sich verabschiedenden Lebensgeistern« oder etwas anderes in der Art der Geschichten zu tun, die die Angatkuq, die Schamanen, erzählt hatten.
    Und doch - etwas war anders an diesem Toten. Etwas, das sich mit jedem Blick, den Foxglove auf ihn warf, kaum merklich verstärkte und inzwischen schon eine Intensität erreicht hatte, die es ihm unmöglich machte, das daraus erwachsende Gefühl zu ignorieren.
    Vielleicht, überlegte Foxglove, hatte es ja schon begonnen, bevor sie den Körper aus dem Wasser holten. Denn eigentlich hätte er Lavra-kas' Ansicht, daß der Mann tot wäre, teilen müssen. Aber er hatte es nicht getan. Als hätte ihm jemand eine gegenteilige Meinung eingeflüstert .
    Foxglove fröstelte bei dem Gedanken, und er schüttelte sich regelrecht, als er ein weiteres Mal auf den Toten hinabsah. Die fast unsichtbaren Schwaden, die von seiner Haut aufstiegen, schufen die Illusion unnatürlicher Bewegung.
    Nur die Illusion?
    Trimble Foxglove zuckte zusammen wie unter einem schwachen elektrischen Schlag, und für eine endlose Sekunde grub das Erschrecken tiefe Spuren in sein flaches Inuit-Gesicht.
    Und für die Dauer genau dieser Sekunde hätte Foxglove Stein und Bein geschworen, daß der Tote die Lider geöffnet und ihn aus nacht-farbenen Augen angestarrt hatte!
    Der Inuit blinzelte, doch als er wieder hinschaute, lag der Tote so auf dem Boden, wie er und Lavrakas ihn abgelegt hatten. Starr und steif, mit geschlossenen Augen - tot eben.
    Hastig warf Trimble Foxglove einen Blick zur Uhr, die an der Wand der zweckmäßig eingerichteten Kabine hing. Es war an der Zeit, Gideon am Ruder abzulösen. Und so sehr es

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